MILITÄRSTRATEGIE Warnungen an Washington

Politiker in aller Welt haben die USA vor einer Ausweitung des Krieges auf den Irak gewarnt. Ein Militärschlag gegen den Diktator in Bagdad gefährde die mühsam geschmiedete Anti-Terror-Allianz.

Angesichts der militärischen Erfolge in Afghanistan laufen in Washington die Planungen für die weitere Strategie im Krieg gegen den Terror auf Hochtouren. Ein Luftkrieg wie in dem mittelasiatischen Land wird dabei wohl nicht mehr die erste Option sein, obwohl von einigen Regierungsmitgliedern Irak immer öfter als mögliches Ziel von US-Militärschlägen genannt wird. Polizeiliche und geheimdienstliche Aktionen werden aber zusammen mit Maßnahmen zur Austrocknung des Finanzstroms der Terroristen-Netzwerke nach Afghanistan die Hauptrolle spielen.

Und das Operationsgebiet im Kampf gegen den Terrorismus ist groß: Vertraute von Präsident George W. Bush nennen 40, 50, ja sogar 60 Länder, in denen Netzwerke wie das von Osama bin Ladens El Kaida existieren. »Jede Regierung, die Terroristen beherbergt oder unterstützt, sollte jetzt sehr besorgt sein«, erklärt der stellvertretende Verteidigungsminister Paul Wolfowitz.

China fordert Beweise

Politiker in aller Welt haben die USA aber vor einer Ausweitung des Anti-Terrorkriegs auf den Irak gewarnt. Ein Militärschlag gegen den Irak würde die Unterstützung des arabischen Lagers für den Anti-Terrorkrieg kosten, sagte der ägyptische Außenminister Achmed Maher in Washington. Auch China sprach sich gegen ein militärisches Vorgehen aus, ohne dass Beweise für eine Beteiligung Bagdads an Terroranschlägen vorliegen.

Die Nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice verweist hingegen auf die Feindschaft mit dem irakischen Präsidenten Saddam Hussein, aus der neue Gefahren entstehen könnten. »Wir brauchen nicht die Ereignisse des 11. Septembers, um zu wissen, dass er ein sehr gefährlicher Mann ist.« Saddam Hussein sei eine Gefahr für sein eigenes Volk, »für die Region und uns, weil er entschlossen ist, Massenvernichtungswaffen zu bekommen«. Damit werde man sich letztlich auseinander setzen müssen.

Kritik an Irak massiv ausgeweitet

Die US-Regierung hat Kritik und Vorwürfe gegen den Irak in den vergangenen Tagen massiv ausgeweitet. Einige Minister sollen sich vehement für einen Schlag gegen das Regime von Saddam Hussein einsetzen. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sprach von deutlichen Verbindungen zwischen dem Terrornetzwerk El Kaida und dem Irak. Präsident George W. Bush betont immer wieder, dass Afghanistan erst der Anfang im Krieg gegen den Terrorismus ist und alle Länder, die Terroristen beherbergen, zur Verantwortung gezogen werden sollen.

Dieser Tatendrang innerhalb der US-Regierung wird allerdings zunächst von diplomatischen Rücksichten gedämpft. Aber wenn Bin Laden das nach Angaben von US-Regierungskreisen erfolgte Angebot Saddam Husseins annehmen sollte, in Irak Zuflucht zu suchen, werde das »ernste Konsequenzen haben«, verlautete von eben dort.

Rücksichten müssen die USA vor allem auf ihre arabischen Verbündeten Ägypten, Jordanien und Saudi-Arabien nehmen. Diese haben vorsorglich darauf hingewiesen, dass jeder Schlag gegen ein Land im Nahen und Mittleren Osten unabsehbare Folgen für die Region haben könnte.

Rücksicht für Wohlverhalten

In US-Kreisen wird daher gerne darauf verwiesen, dass man zurzeit kein anderes Mandat habe, als Bin Laden zu finden und sein Netzwerk zu zerstören - wo immer er auch Zuflucht suchen sollte. Erwartet wird eine Flucht nach Pakistan, Kaschmir, Tschetschenien, Somalia oder Sudan. Aber El Kaida hat auch Zellen beispielsweise in Ägypten und Usbekistan, zwei wichtigen Verbündeten. Verbündete Gruppen gibt es in Malaysia, Indonesien, Algerien, Jemen und anderen arabischen Ländern. Mit 40 Ländern arbeiteten die USA zusammen, um Terrorzellen zu bekämpfen, erklärt Vizepräsident Richard Cheney. Wolfowitz sagt, es seien 60. Und darunter sind beispielsweise auch Deutschland, Italien und Spanien.

Der Krieg gegen den Terror wird nach Afghanistan von politischen Rücksichten und diplomatischem Geschick geprägt werden und damit wohl zu einem guten Teil abseits der Öffentlichkeit stattfinden. Ein Beispiel: Iran, Syrien und Libyen stehen zwar auf der offiziellen US-Liste der den Terrorismus unterstützenden Staaten, haben sich aber bei der Bekämpfung Bin Ladens als nützlich erwiesen. Folglich gelten sie in Washington nicht als wahrscheinliche Ziele für US-Militärschläge. Irak dagegen feuert weiter auf amerikanische und britische Kampfflugzeuge, die die Flugverbotszonen im Norden und Süden überwachen.