NAHOST Israel besetzt Ramallah - Tote bei neuer Gewalt

Einen Tag vor der Ankunft des amerikanischen Nahost-Sondervermittlers Anthony Zinni in Israel hat die israelischen Armee am Mittwoch das Zentrum der autonomen Palästinenserstadt Ramallah besetzt. Dabei kam es zu heftigen Gefechten mit bewaffneten Palästinensern. Zuvor war bei den Kämpfen in der 220 000-Einwohner-Stadt ein italienischer Pressefotograf tödlich getroffen worden.

Die Europäische Union und Papst Johannes Paul II. richteten erneut eindringliche Friedensappelle an die Konfliktparteien. Auf Initiative der USA verabschiedete der Weltsicherheitsrat eine Resolution, in der erstmals das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat erklärt wird. UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte zuvor den Sicherheitsrat und die Konfliktgegner in einer sehr emotional gehaltenen Rede aufgefordert, dem Blutvergießen ein Ende zu bereiten.

Größte Militäraktion seit zwei Jahrzehnten

Nachdem die israelische Armee am Dienstag bei ihrer größten Militäraktion seit zwei Jahrzehnten bereits große Teile von Ramallah besetzt hatte, drangen am Mittwochnachmittag Panzer auch das Zentrum der Metropole des Westjordanlands ein. Truppen rückten nach Augenzeugenberichten bis auf wenige hundert Meter zum Hauptquartier von Palästinenserpräsident Jassir Arafat vor. Arafat telefonierte am Mittwoch mit US-Außenminister Colin Powell und forderte den Abzug der Israelis »innerhalb von 24 Stunden«.

Nach israelischen Medienberichten will Ministerpräsident Ariel Scharon die Besetzung Ramallahs bis zur Ankunft von US-Vizepräsident Richard Cheney Anfang kommender Woche aufrecht erhalten. Bereits in dieser Woche will der US-Gesandte Zinni damit beginnen, ein umfassendes Waffenruhe-Abkommen zwischen beiden Seiten auszuhandeln. Die palästinensische Autonomiebehörde warnte vor einem Scheitern der Zinni-Mission: »Wenn Israel mit seinen Kriegsspielen weitermacht bis Zinni hier eintrifft, wird er hier nichts mehr zu tun haben.«

Mit dem italienischen Fotografen Raffaele Ciriello (42) forderte der immer härter ausgetragene Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern nach knapp 18 Monaten sein erstes ausländisches Opfer. Er wurde bei heftigen Schusswechseln in Ramallah von mehreren Geschossen tödlich getroffen. Zwei weitere ausländische Journalisten erlitten nach palästinensischen Angaben Schussverletzungen.

Israel bedauert Tod des Journalisten

Die israelische Armee drückte Bedauern über den Tod des Journalisten aus. Ciriello, der unter anderem für die Zeitung »Corriere della Sera« arbeitete, galt als krisenerfahrener Reporter. Nach Angaben der Organisation »Reporter ohne Grenzen« ist er der 6. Journalist, der in diesem Jahr bei der Ausübung seines Berufs gewaltsam ums Leben kam. Bei den Feuergefechten in Ramallah wurden am Mittwoch zudem ein Offizier der Eliteeinheit »Force 17« von Soldaten getötet und Dutzende Palästinenser zum Teil schwer verletzt.

Auf breite Zustimmung stieß die Verabschiedung der Resolution durch den UN-Sicherheitsrat, mit der die »Vision« eines unabhängigen palästinensischen Staates neben Israel »bekräftigt« wird. Der palästinensische Informationsminister Jassir Abed Rabbo sprach von einem »großen Erfolg für die Palästinenser«. Der israelische UN- Botschafter Jehuda Lankri nannte die Resolution ausgewogen.

Papst Johannes Paul II. richtete am Mittwoch einen neuen Friedensappell an Israelis und Palästinenser. Es müsse »alles Mögliche« unternommen werden, um die Spirale der Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern zu durchbrechen, sagte das 81-jährige Oberhaupt der katholischen Kirche bei seiner traditionellen Generalaudienz im Vatikan. Die katholische Kirche wolle zu einem »gerechten Frieden« beitragen.

»Es gibt keine militärische Lösung des Konflikts«

EU-Kommissionspräsident Romano Prodi mahnte: »Es gibt keine militärische Lösung des Konflikts.« Er verurteilte zugleich die Anwendung militärischer Mittel in ziviler Umgebung und die Zerstörung der Infrastruktur in den palästinensischen Gebieten. Der spanische Außenminister Josep Piqué, der amtierende Präsident des EU- Ministerrats ist, erklärte, von beiden Seiten sei ein bedingungsloser Waffenstillstand gefordert.