Nord Stream 2 Sorge ums "deutsche Volk"? Warum Trump so energisch gegen die russische Gas-Pipeline wettert

Ein russischer Bauarbeiter telefoniert neben einem Rohrstück für die Gas-Pipeline Nord Stream
Nord Stream 1 transportiert seit 2011 Gas vom russischen Wyborg auf dem Grund des Meeres bis ins deutsche Lubmin bei Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern). Der Bau der zweiten Trasse, Nord Stream 2, hat kürzlich begonnen.
© Dmitry Lovetsky / AP / DPA
Bei der Nato und anschließend in London polterte US-Präsident Donald Trump (mal wieder) gegen die geplante deutsch-russische Gas-Pipeline Nord Stream 2. Die sei nicht gut für Europa, meint er. Doch dahinter steckt mehr.

Donald Trump hat ein neues Lieblingsthema für seine Angriffe auf Deutschland: Die geplante Gas-Pipeline Nord Stream 2, die von Russland durch die Ostsee direkt nach Mecklenburg-Vorpommern führen soll. "Es ist furchtbar, was Deutschland macht, es ist ein furchtbarer Fehler", sagte er zuletzt. Deutschland sei durch die angebliche - und von ihm mit falschen Zahlen untermauerte - Gasabhängigkeit "ein Gefangener Russlands". Während sich sein Land um "Frieden in der Welt" bemühe, zahle Deutschland "Milliarden Dollar in die russischen Kassen", klagte Trump. Dies sei "schlecht für Deutschland und das deutsche Volk". 

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Der "America First"-Präsident sorgt sich also auf einmal um "das deutsche Volk"? Nein, zumindest nicht vorrangig. Die Kritik aus den USA an Nord Stream 2 ist auch von klaren wirtschaftlichen Eigeninteressen getrieben. Bereits im März wandten sich US-Senatoren aus beiden politischen Lagern in einem offenen Brief an die Trump-Regierung, das Projekt zu stoppen. Durch die Pipeline würde US-amerikanische Partner und Verbündete in Europa "empfänglicher" werden für die "Nötigungen und den bösartigen Einfluss" aus Russland, heißt es dort offiziell. 

Beim Blick auf die 39 Unterzeichner des Briefes aber fällt auf: Viele von ihnen kommt aus Staaten, die selbst große Gasvorkommen haben und Fracking betreiben. Mit der hochumstrittenen Methode fördern die Staaten weitaus mehr, als sie selbst nutzen können. In Form von Flüssigerdgas (englisch: LNG) sollen diese Überschüsse dann exportiert werden - auch nach Europa. "Wir produzieren mehr Gas, als wir brauchen. Daran wird sich in den nächsten 40 Jahren nichts ändern", zitiert "Panorama" den Washingtoner LNG-Lobbyist Charlie Riedl vom Center for Liquefied Natural Gas (CLNG). "Deutschland ist ein sehr attraktiver Markt für uns."

Wirtschaftliche Interessen im Sanktionsgesetz

So deutlich sagt das ein Lobbyist. Politiker sprechen natürlich stets vom politischen Druck auf Russland und von der wachsenden Abhängigkeit, die missbraucht werden könnte. Nur: Selbst im aktuellen Sanktionsgesetz, gerichtet gegen den Iran, Russland und Norkorea und verabschiedet im US-Kongress, werden die wirtschaftlichen Interessen hinter der Kritik an Nord Stream 2 unverblümt offen genannt. In einer Passage, die überschrieben ist mit "Ukrainische Energie-Sicherheit" wird Nord Stream 2 in Punkt neun erwähnt. Die Pipeline wolle man "weiterhin bekämpfen", heißt es dort. Im nächsten Punkt dann: Die Vereinigten Staaten sollten "den Export von US-Energieressourcen priorisieren". So wolle man "Amerikanische Jobs" kreieren und "die außenpolitische Strategie der USA stärken".

Michael Harms, Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, kritisierte deshalb im Deutschlandfunk: "Einerseits wird postuliert, dass man einen freien und liberalisierten Energiemarkt in Europa braucht und verschiedene Bezugsquellen erschließen muss; und im nächsten Absatz wird dann wieder gesagt: Aber wir entscheiden, welche Pipeline gebaut wird und was verboten wird und was erlaubt." Das sei "ein Widerspruch" und "uns gefällt das gar nicht". Diese Art der Politik widerspreche "marktwirtschaftlichen Prinzipien". 

Nord Stream 2 ein hochumstrittenes Projekt

Die geplante Pipeline Nord Stream 2 ist auch jenseits der Kritik aus Amerika ein hochumstrittenes Projekt. Osteuropäische Staaten wie die Ukraine fürchten um Einnahmen. Für Gas, das aus Russland über ihr Hoheitsgebiet nach Westeuropa transportiert wird, erhält etwa das Land Gebühren. Ob der katastrophalen Beziehung zur Ukraine sucht Russland nach neuen Lösungen - und will das Transitland umgehen. In der Vergangenheit beklagte sich Russland mehrfach über angeblichen Gasdiebstahl seitens der Ukraine und drehte dafür den Gashahn ab. Die Ukraine wies die Vorwürfe entschieden zurück.

Die Bundesrepublik ist bei Erdgas in der Tat abhängig von Importen - nur etwa sieben Prozent stammen aus inländischer Förderung. Das Bundeswirtschaftsministerium verweist allerdings darauf, dass es bei der Versorgung mit Gas und Öl eine "diversifizierte Struktur" gebe. Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen bezog Deutschland im Jahr 2015 rund 40 Prozent Erdgas aus Russland, 29 Prozent aus den Niederlanden und 21 Prozent aus Norwegen. 2017 lag der Importanteil aus Russland dem Ministerium zufolge bei "rund" 40 Prozent. 

Gasgeschäft mit Russland bereits im Kalten Krieg

Das Gasgeschäft mit Russland hat für Deutschland eine lange Tradition - und startete, während es deutlich schlechter um die Beziehung stand als heute. 1973, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, erreichte erstmals russisches Gas Deutschland. Geschichtsprofessor Frank Bösch hielt daher 2013 in der "Zeit" fest: "Die ökonomischen Interessen machten bereits das kommunistische Russland zu einem verlässlichen Partner und überbrückten selbst dramatische politische Krisen. Für den Westen dürfte dies auch in Zukunft gelten."

Die wirtschaftlichen Motive der USA hinter ihrer massiven Kritik an der Pipeline wurden auch während Trumps jüngstem Angriff auf Deutschland Ende vergangener Woche wieder deutlich. Während der US-Präsident beim Nato-Gipfel Deutschland als "Gefangenen Russlands" bezeichnete, war sein Energieminister Rick Perry in Brüssel - und warb dort für den Import von US-Flüssiggas als Alternative zu neuen Öl-Pipelines.