Ein Nordkoreaner, der sich auf eine Zeitung mit einem Foto des Staatsgründers Kim Il Sung setzt, macht sich eines politischen Vergehens schuldig. So weit gehe die Unterdrückung in dem kommunistischen Staat, berichten Flüchtlinge. Doch die Diskussion über die Menschenrechtslage in Nordkorea ist wegen des Streits um das Atomprogramm Pjöngjangs in den Hintergrund gerückt - so auch beim Antrittsbesuch des neuen südkoreanischen Präsidenten Roh Moo Hyun in den USA.
Menschenrechtsaktivisten kritisieren seit langem, dass Südkorea in seinem Bemühen um eine Annäherung an den kommunistischen Norden allzu zurückhaltend geworden sei. Dies ist die Schattenseite der Sonnenscheinpolitik des ehemaligen Präsidenten Kim Dae Jung. Bislang gibt es keine Anzeichen dafür, dass sein Nachfolger Roh der Menschenrechtspolitik des Nordens mehr Aufmerksamkeit widmen wird. Dabei verdankt der ehemalige Anwalt seine Bekanntheit seinem Kampf für die Bürgerrechte.
"Schmutzige Geheimnisse" verhindern eine Öffnung des Landes
Der deutsche Arzt Norbert Vollertsen, der in Nordkorea gearbeitet und mehreren Dissidenten zur Flucht verholfen hat, kritisiert die Vernachlässigung der Menschenrechtsfrage. "Ich bin sehr wütend über dieses Verhalten der südkoreanischen Regierung. Die Menschenrechtsproblematik und die Atomwaffen stehen in einem Zusammenhang", sagt Vollertsen. "Nordkorea hat so viele schmutzige Geheimnisse, dass Kim Jong Il genau weiß: Er kann sein Land nicht öffnen und er kann sich nicht ändern. Sonst würde das ganze Regime, die Dynastie, zusammenbrechen."
Einige der von Vollertsen angesprochenen Geheimnisse sind in dem Menschenrechtsbericht über das Jahr 2002 enthalten, den das US-Außenministerium im März veröffentlichte: Darin werden Berichte über außergerichtliche Hinrichtungen und über das plötzliche Verschwinden von Menschen aufgelistet, willkürliche Verhaftungen und Misshandlungen an Gefangenen beschrieben. "Im vergangenen Jahr waren insgesamt 200.000 Menschen aus politischen Gründen in Gefangenenlagern in entlegenen Landesteilen inhaftiert", heißt es in dem Bericht - und das bei einer Bevölkerung von nur 22 Millionen Menschen.
"Man darf Kim Jong Il nicht in Ruhe lassen"
Nordkoreaner, die dem Regime in Pjöngjang entkommen sind, drängen auf eine scharfe Verurteilung der Menschenrechtsverletzungen: "Man darf Kim Jong Il und sein Regime nicht in Ruhe lassen", sagt Lee Joo Il. Er floh vor fünf Jahren nach Südkorea, als eine Hungersnot Tausende von Nordkoreanern das Leben kostete.
Aber Südkorea fürchtet, dass scharfe Kritik an Pjöngjang die mühsam errungenen Fortschritte in den innerkoreanischen Beziehungen zunichte machen könnte. Deshalb war man in Seoul auch alles andere als begeistert, als US-Präsident Bush Nordkorea auf einer "Achse des Bösen" einordnete.
Nach Ansicht der konservativen Opposition in Südkorea geht die Rücksichtnahme der Regierung gegenüber dem Norden so weit, dass Seoul selbst Menschenrechte verletzt. Sie verweist auf den Fall von Hwang Jang Yup, einem früheren Vertrauten des nordkoreanischen Diktators Kim Jong Il, der 1997 in den Süden floh. Seit Jahren will Hwang nach Washington reisen, um über die Lage in Nordkorea zu berichten, aber Seoul lässt ihn nicht gehen - offiziell aus Sicherheitsgründen. Die oppositionelle Große Nationalpartei wirft der Regierung vor, sie wolle eine Aussage Hwangs verhindern, um die Aussöhnung mit Nordkorea nicht zu gefährden.