"Panama Papers" Warum Islands Premier Gunnlaugsson gehen muss

Seit der Veröffentlichung der sogenannten Panama-Papers steht ganz Island unter Schock. Ein Viertel des Kabinetts hat Geld außer Landes geschafft. Darunter auch der Premier, der eigentlich angetreten war, das krisengeschüttelte Land zu beruhigen.

Ein Mann mit gebrochenem Arm geht zum Arzt, der legt einen Gips an, und als der Mann nach vier Wochen wiederkommt, um den Gips abnehmen zu lassen, bricht ihm der Arzt einfach so den anderen Arm. So ähnlich wie der doppelt verletzte Mann fühlt sich seit gestern Abend wohl ein Großteil der Bewohner Islands, nachdem herausgekommen ist, dass isländische Politiker und Geschäftsleute in den sogenannten Panama-Papers gleich mehrfach vorkommen. An erster Stelle Premierminister Sigmundur Davíð Gunnlaugsson, aber auch Finanzminister Bjarni Benediktsson sowie Innenministerin Ólöf Nordal, wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, die Teil des Rechercheteams ist. Alle drei Politiker stehen in Verbindung mit Offshore-Firmen, ohne dies transparent gemacht zu haben, wie es ein isländisches Gesetz vorschreibt. "Außer ihnen findet man in den Unterlagen Hrólfur Ölvisson, den Geschäftsführer der Partei des Premiers, einige der reichsten Männer des Landes, etliche ehemalige Spitzenbanker und mindestens einen hochrangigen Regierungsberater."

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Der gigantische Whistleblower-Leak über Steuerflucht, Offshore-Konten und Briefkastenfirmen via eine Kanzlei in Panama, der internationale Politiker, Sportler und Prominente an den Pranger stellt, trifft mit Island ein gebranntes Kind. Und deshalb wird Gunnlaugsson womöglich der erste Politiker sein, der wegen der "Panama Papers" zurücktreten muss.

Islands vier Oppositionsparteien haben sich bereits Sonntagabend darauf geeinigt, der Regierung am Montag in der ersten Parlamentssitzung nach Ostern die Vertrauensfrage zu stellen, um Neuwahlen zu ermöglichen. Das berichten mehrere isländische Medien. Die Forderung nach Neuwahlen wird auch in der Bevölkerung des Inselstaates mit rund 330.000 Einwohnern immer lauter. Der Aufruf zu einer Demonstration mit dem Motto "Neuwahlen jetzt!" vor dem Parlament in Austurvöllur am Montagabend hat auf Facebook bereits mehr als 8500 Zusagen, rund 6800 sind "interessiert". Außerdem gibt es eine Petition, laut der bereits knapp 24.000 Isländer Gunnlaugssons Rücktritt fordern. 

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Die wichtigsten Fakten zu den Panama Papers

"Aasgeier" und Eigennutz

Islands "erster gebrochener Arm" war die Finanzkrise 2008, als die drei größten Banken des Landes zusammenbrachen nach Jahren der Spekulation und Deals untereinander - über Offshore-Konten. Islands Wirtschaft stürzte ab, und die Krone verlor die Hälfte an Wert. Immerhin: Viele der Schuldigen mussten ins Gefängnis. Da hat Island mit seinem Chefaufklärer Ólafur Hauksson Vorbildfunktion. Doch nachdem die schwere Krise mittlerweile einigermaßen überwunden schien, bricht nun die nächste los.

Gunnlaugsson wurde 2013 vor allem auch deshalb zum jüngsten Premier der Geschichte des Landes gewählt, weil er sich gegen eine Rettung der Banken und gegen die Auszahlung ausländischer Gläubiger stellte, und weil er versprach, die Krone wieder zu stärken, ohne den Isländern ein Sparprogramm zu verordnen. Gläubiger der kollabierten Banken nannte er "Aasgeier", berichtet das Nachrichtenportal Reykjavik Grapevine. Einen Kompromiss gab es später trotzdem. Seit Sonntagabend wissen die Isländer, dass der Premier selbst zu den "Aaasgeiern" gehört.

Der 1-Dollar-Deal

Gemäß dem Leak haben Gunnlaugsson und seine Frau Anna Sigurlaug Pálsdóttir, die beide aus wohlhabenden Familien stammen, Geld in eine Firma namens Wintris Inc. gesteckt. Das Geld liegt unter anderem im berüchtigten Steuerparadies der Britischen Jungferninseln. Insgesamt seien vier "Steueroasen" involviert, schreibt die "Süddeutsche". 2009, als Gunnlaugsson zum Parteivorsitzenden und ins Parlament gewählt wurde und in Island das Transparenzgesetz für Abgeordnete in Kraft trat, meldete er Wintris Inc. nicht, so der Bericht. Ende des Jahres verkaufte er seine bisher 50 Prozent Anteil an Pálsdóttir - für einen Dollar.

Wintris Inc. gehört zu den Gläubigern der gecrashten Banken mit einer halben Milliarde Isländische Kronen (umgerechnet mehr als 3,5 Millionen Euro). Premier Gunnlaugsson hat immer wieder aufs Schärfste betont, dass isländisches Geld zur Stärkung der Krone im Land bleiben müsse. Als ihn jüngst das schwedische Fernsehen nach der Firma fragte, hat der Premier das Interview wutentbrannt abgebrochen.

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Was kommt nach Gunnlaugsson?

Sollte es tatsächlich zu Neuwahlen kommen, hat die Piratenpartei gute Chancen, die Regierung zu stellen. Unter der Führung von Birgitta Jónsdóttir genießen die Piraten Islands in Umfragen eine Zustimmung von fast 39 Prozent

"Ich hoffe, Sigmundur David besitzt den Anstand, sein Amt niederzulegen, bevor das Parlament heute zusammentritt", zitiert die "Financial Times" Islands Jónsdóttir. Sie soll den Premier außerdem einen "Scharlatan und Lügner" geschimpft haben.

Auf Facebook postete sie am Montag kämpferisch den Song "Uprising" (Aufstand) der Band Muse.

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Hier lesen Sie über die Island-Enthüllungen in der "Süddeutschen Zeitung".

Wenn Sie mehr über das politische System in Island erfahren möchten, lesen Sie hier.

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