In Australien steht nach einer parteiinternen Revolte gegen Premierminister Kevin Rudd völlig unerwartet erstmals eine Frau an der Regierungsspitze. Die Labor-Partei bestimmte Rudds Stellvertreterin Julia Gillard am Donnerstag einstimmig zur neuen Parteichefin. Sie übernahm damit automatisch auch das Regierungsamt und wurde im Parlament vereidigt.
Sie werde ihrem Land und den Menschen im Amt als Regierungschefin dienen, sagte Gillard bei der feierlichen Zeremonie. "Ich fühle mich sehr geehrt." Die 48-Jährige kündigte zudem Wahlen "in den kommenden Monaten" an. Sie sei "nicht vom australischen Volk gewählt" worden. Dazu sei ein Wahlgang nötig, "damit die Australier ihr Recht wahrnehmen können, ihre Premierministerin zu wählen", betonte Gillard.
Gillard soll Labor nach nur drei Jahren im Amt bei den Wahlen in diesem Jahr vor einer drohenden Niederlage retten. Die ledige Juristin kommt vom linken Flügel der Partei und war lange in der Gewerkschaftsbewegung aktiv. Sie war in der bisherigen Regierung unter anderem für Bildung und Arbeit zuständig und hat sich erfolgreich für eine Bildungsreform und faire Löhne eingesetzt. Gillard wurde in Großbritannien geboren. Die Familie wanderte nach Australien aus, bevor sie in die Schule kam.
Im Eiltempo vom Liebling zum Buhmann
Rudd hatte in den vergangenen Monaten massiv in Umfragen verloren. Dem 52-Jährigen wird unter anderem zu Last gelegt, dass er sein Wahlversprechen nicht einlöste, zum Klimaschutz einen Handel mit CO2-Zertifikaten einzuführen. In den vergangenen Wochen stieß er mit der geplanten Supersteuer auf Profite der Bergbauindustrie auf heftigen Widerstand. Die Branche protestierte massiv dagegen, stellte Investitionen im Milliardenumfang infrage und warnte vor enormen Arbeitsplatzverlusten.
Ex-Diplomat Rudd hatte mit seinem Wahlsieg 2007 die Ära John Howard beendet. Sein konservativer Vorgänger war elf Jahre im Amt gewesen. Nach einem überzeugenden Wahlsieg galt der Labor-Politiker, der fließend chinesisch spricht, zunächst auf Jahre hinaus als unschlagbar und war höchst populär. In diesem Jahr wendete sich das Blatt. Rudd ist damit der am kürzesten regierende Premierminister Australiens seit 1972.
Gillard hatte bis zuletzt loyal zu Rudd gestanden. Erst als sich am Mittwoch das Ausmaß der Unzufriedenheit mit dem Premier abzeichnete, ließ sie sich aufstellen. Immer mehr Abgeordnete verweigerten dem Regierungschef die Gefolgschaft, am Donnerstag auch Finanzminister Wayne Swan. Rudd gab noch vor der Abstimmung auf, als sich abzeichnete, dass er keine Chance hatte. Er wollte eigentlich zum G20-Gipfel am Wochenende in Kanada fliegen. Unklar ist, ob Gillard diese Reise nun antritt.