Nach Explosionen Polen diskutiert über Artikel 4 des Nato-Vertrages – was das bedeutet

Nato-Generalskretär Jens Stoltenberg
Nato-Generalskretär Jens Stoltenberg
© Roberto Monaldo / LaPresse / AP / DPA
In Polen ist eine Rakete eingeschlagen und hat zwei Menschen getötet. Noch sind viele Hintergründe ungeklärt, doch am Vormittag kommen die Nato-Staaten zu Beratungen zusammen. Warum nun der Artikel 4 im Fokus steht und was er besagt.

Nach dem Raketeneinschlag auf polnischem Gebiet hat Polen Teile seiner Streitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Warschau bestellte zudem den russischen Botschafter ein und alarmierte die Nato. Ein Regierungssprecher erklärte, man habe mit den Nato-Verbündeten beschlossen zu überprüfen, ob es Gründe gebe, die Verfahren nach Artikel 4 des Nato-Vertrags einzuleiten. Am Mittwochvormittag wollten die ständigen Vertreter der Bündnisstaaten bei der Nato in Brüssel zu einer Krisensitzung zusammenkommen.

Die Artikel vier und fünf des Nato-Gründungsvertrages vom 4. April 1949 sind Kernelemente des Verteidigungsbündnisses. Vor allem Artikel Fünf gilt als Herzstück – in ihm ist der sogenannte Bündnisfall geregelt.

Artikel 4 sieht Beratungen der Nato-Staaten vor, wenn einer von ihnen die Unversehrtheit seines Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die eigene Sicherheit bedroht sieht. Konkret heißt es darin: "Die Parteien werden einander konsultieren, wenn nach Auffassung einer von ihnen die Unversehrtheit des Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht ist." Konkrete Reaktionen muss das nicht zur Folge haben.

Der Artikel wurde Nato-Angaben zufolge seit der Gründung des Bündnisses 1949 sieben Mal in Anspruch genommen. Zuletzt war das am 24. Februar 2022 der Fall. Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, die Slowakei und die Tschechische Republik hatten dies nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine beantragt.

Nato-Vertrag: Der Bündnisfall wurde bisher erst einmal ausgerufen

In Artikel Fünf ist geregelt, dass die Bündnispartner einen bewaffneten Angriff gegen einen oder mehrere von ihnen als ein Angriff gegen sie alle ansehen. Sie verpflichten sich, Beistand zu leisten. Konkret heißt es, dass es dabei um die für sie als erforderlich erachteten Maßnahmen geht, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten – einschließlich Waffengewalt.

Zwei Tote nach Raketeneinschlag in Polen – Vorfall ruft Nato auf den Plan
Die Polizei untersucht im ostpolnischen Dorf Przewodow ein Getreidelager, das von einer Rakete getroffen wurde – zwei Menschen kamen bei dem Vorfall ums Leben.
© Wojtek Radwanski / AFP
Zwei Tote nach Raketeneinschlag in Polen – Explosion ruft Nato auf den Plan

Artikel Fünf ist in der Nato-Gesichte erst ein einziges Mal aktiviert worden, nach den Anschlägen am 11. September 2001. Dies führte dazu, dass Deutschland und andere Nato-Staaten sich am Krieg gegen die Taliban und die Terrororganisation Al-Kaida in Afghanistan beteiligten. Aus dem Wortlaut des Artikels geht aber nicht hervor, dass Nato-Staaten zum Beispiel eigene Truppen zur Unterstützung entsenden müssen. Er verpflichtet lediglich dazu, unverzüglich Maßnahmen zu treffen, die der jeweilige Nato-Staat für erforderlich hält.

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