PORTRÄT Vom Apparatschik zum Despoten

»Mein Gewissen ist rein und ruhig«, wiederholte oft der Mann, der mehr als irgend ein anderer Führer das vergangene blutige und kriegerische Jahrzehnt des zerfallenen Jugoslawien bestimmt hat. Dreizehn volle Jahre, zwischen September 1987 und Anfang Oktober 2000, bestimmte Milosevic das Schicksal Serbiens und Jugoslawiens. Der am 20. August 1941 im ostserbischen Pozarevac geborene Milosevic studierte Jura in Belgrad, wo er seine steile Parteikarriere begann, die ihm auch im Berufsleben half.

In den Jahren zwischen 1973 und 1983 stand er an der Spitze der damals mächtigen Belgrader Bank. In diesem Zeitraum sei er mehr als 60 Mal geschäftlich in den USA gewesen, schreiben seine Biografen. 1984 wurde er Chef der Kommunisten der jugoslawischen Hauptstadt, ein damals sehr wichtiger Posten. Landesweit wurde er bekannt, als er sofort einen Feldzug gegen »serbische Nationalisten, Reaktionäre und Antikommunisten« in Kultur und Wissenschaft begann.

Zur Machtspitze stieg er aber gerade mit Hilfe kommunistischer Dogmatiker und serbischer Nationalisten auf, die sich der Modernisierung und den Reformen im Vielvölkerstaat Jugoslawien widersetzten und die Vormachtstellung des Parteiapparats hinter der Parole von der »Wahrung der serbischen nationalen Interessen« versteckten.

Durch Parolen zu Popularität

Im September 1987 stürzte er seinen politischen Ziehvater, den gemäßigten Präsidenten Serbiens, Ivan Stambolic. Stambolic wurde im August 2000 in Belgrad entführt - seitdem fehlt von ihm jede Spur. Nationalistische Parolen verhalfen dem

uncharismatischen Führer zur riesigen Popularität bei den Serben, so dass er bei einem Referendum Ende 1989 mit 86 Prozent der Stimmen zum Präsidenten der serbischen kollektiven Präsidenschaft gewählt wurde.

Die ersten demokratischen Präsidentschaftswahlen in Serbien im Dezember 1992 gewann Milosevic mit 56 Prozent der Stimmen - die Opposition warf ihm sofort Wahlbetrug vor. Im Juli 1997 wurde er vom Parlament zum Präsidenten des aus Serbien und Montenegro bestehenden Jugoslawiens gewählt. Bei den ersten direkten jugoslawischen Präsidentschaftswahlen im September vergangenen Jahres stimmte immerhin ein Drittel der Wähler für Milosevic.

Auf Konfrontationskurs mit den Teilrepubliken

Elf Jahre zuvor - 1989 - hatte Milosevic die »Lösung« der Krise in der südserbischen Provinz Kosovo versprochen. Damals hob er die weitgehende Autonomie auf und ließ führende gemäßigte Albanervertreter verhaften. Bald stand er auf Konfrontationskurs mit den restlichen jugoslawischen Teilrepubliken, was zu den Kriegen 1991 in Kroatien und 1992 in Bosnien führte. Er selbst sagte 1997: »Dort wo ich gefragt werde, wo meine Stimme entscheidet, wird es keinen Krieg geben«. Bald begann der Krieg im Kosovo, der im Frühjahr 1999 zur NATO-Intervention gegen die jugoslawische Armee und serbische Polizei führte.

Der von Milosevic und der engsten Staatsspitze angeordnete Einsatz serbischer Sicherheitskräfte im Kosovo, vor allem die planmäßig begangenen Verbrechen an Zivilisten, führten zur Anklage gegen Milosevic wegen Kriegsverbrechen seitens des UN-Gerichtshofs in Den Haag. »Das UN-Tribunal ist eine unmoralische und illegale Institution«, sagt Milosevic und vergleicht den Gerichtshof mit dem Nazi-Terror gegen Juden im Zweiten Weltkrieg.