Ist es doch nicht der Knöchel? Geht es Kim Jong Un vielleicht doch gut? Zumindest gesundheitlich? Rund vier Wochen lang wurde Nordkoreas Diktator nicht mehr gesehen - offiziell heißt es, der Machthaber sei krank, führe aber weiterhin das Land. Kleines Problem: Seit dem Wochenende sind Zweifel an dieser Darstellung aufgetaucht. Zweifel, die bereits zu Spekulationen führen, dass der Jung-Despot vielleicht gar nicht mehr im Amt sei. Abgesägt von den eigentlichen Strippenziehern im abgeschotteten Staat.
Es sind zwei Indizien, die die Gerüchteküche anheizen: Völlig überraschend tauchte am Samstag eine Delegation Nordkoreas bei den Asienspielen im Nachbarland Südkorea auf. Auftrag der Gesandten war es offenbar, den "innerkoreanischen Dialog" wieder aufzunehmen, wie es im Seouler Verteidigungsministerium heißt. Der Süden hatte in den vergangenen Wochen auf solche Gespräche gedrängt, nun reagierte die Gegenseite sogar mit dem Angebot, Südkorea könne auch über den Zeitpunkt bestimmen.
Kim ist gar nicht krank
Überraschend war nicht nur die plötzliche Kehrtwende des stalinistischen Nordens, der die letzten Tage noch damit zubrachte, Raketen als Drohung in den ostasiatischen Himmel zu feuern. Auch die hochrangige Besetzung der Besuchergruppe sorgt für Gemunkel. Mit Hwang Pyong So wartete kein Geringerer als die Nummer zwei des Landes beim Erzfeind auf. In seinem Gefolge war mit Choe Ryon Hae ein Top-Parteikader und der Vize der mächtigen Nationalen Verteidigungskommission. Und der Dritte im Bunde, Kim Yang Gon, machte dann eine Bemerkung, die die Bedenken zusätzlich schürten: Kim Jong Un habe keine Probleme mit der Gesundheit, soll er Beteiligten zufolge gesagt haben.
Was genau hinter Kims Verschwinden steckt, ließ er leider im Dunkeln. Aber just an diesem Wochenende meldete sich via CNN der ehemalige und mittlerweile geflüchtete Top-Propagandamitarbeiter Jang Jin Song zu Wort und behauptete, dass die Abteilung für Organisation und Führung, Englisch: Organization and Guidance Department (OGD), die Macht an sich gerissen und Kim Jong Un abgesetzt hätte. Kim, der jüngste Spross der Diktatoren-Dynastie sei nun mehr eine Marionette des einflussreichen OGD.
Der Vorzimmerdrache von Pjöngjang
Das OGD ist schon seit langem das eigentliche Machtzentrum des Landes, sagte Jang bei einem Vortrag in Hamburg im Februar dieses Jahres. Offiziell sei es der Koordinierungsstab für die Führungsspitze des Landes. Eine Art Vorzimmerdrache, der darüber entscheidet, wer mit welchen Themen und wann an die Kims und andere Topkader herantreten darf. Alles, was die Beamten herausfiltern, ist für die Machtelite nicht existent. Noch entscheidener aber sei die Funktion als Nachwuchs- und Karrieretrichter, so Jang: Jede wichtige Personalentscheidung werde von den OGD-Bürokraten getroffen - von den örtlichen Parteichefs bis zu den hohen Kadern in der Hauptstadt. Anders gesagt: Die Abteilung stellt sämtliche Weichen und bestimmt, wer das Land tatsächlich regiert.
Dem Ex-Funktionär Jang zufolge ist das nicht zwangsläufig der jeweils regierende Kim - die Herrscherfamilie habe zwar in vielen Entscheidungen das letzte Wort, diene aber mehr als Maskottchen für das Volk. Als durch Propaganda hochgejazztes, gottgleiches Gesicht des Regimes, das durch seine pure Präsens Glückseligkeit als auch Schrecken verbreitet. Eine Identifikationsfigur für die Menschen, die aber nur dann in die Öffentlichkeit beordert wird, wenn es nach Willen des OGD sinnvoll ist. Da das anonyme Komitee nicht auf einen Kim an der Spitze verzichten will, soll es angeblich bereits seine Schwester Kim Yo Jong zur Nachfolgerin aufbauen. In der Zwischenzeit kümmert sich die Nummer zwei des Landes, Hwang Pyong So um die Geschäfte.