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Referendum in Griechenland "Nein" oder "Nein": Die Griechen haben die Wahl

Die Regierung hat den Wortlaut des Referendums über Griechenlands Annahme des EU-Hilfsprogramms veröffentlicht - und sorgt für Spott und Verwunderung. Der stern hat den Wahlzettel unter die Lupe genommen.
Von Beke Detlefsen

Die Griechen sollen abstimmen am Sonntag. Alexis Tsipras lässt das Volk entscheiden, ob Griechenland das neue Hilfsprogramm der Gläubiger-Institutionen Internationaler Währungsfond (IWF), Europäische Zentralbank (EZB) und die Europäische Kommission annimmt. 

Die Kritik an dem Referendum ist laut in Europa. Reguläre Wahlen sind schwer zu organisieren. Wahlzettel müssen gedruckt, Wahllokale und Wahlhelfer organisiert werden. Athen hat nur bis Sonntag Zeit. Die Wahlzettel sind immerhin schon fertig. 

Der Wahlschein zum Referendum in Griechenland
© Simela Pantzartzi /Dpa

Der Wortlaut der Abstimmung: "Soll der von der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds der Eurogruppe am 25. Juni vorgelegte Entwurf einer Vereinbarung, der aus zwei Teilen besteht, welche einen einheitlichen Vorschlag darstellen, angenommen werden?" 

Klingt kompliziert? 

Nach diesem langen Satz folgen die Überschriften der zwei Teile: "Reforms for the Completion of the Current Program and Beyond" und "Preliminary Debt Sustainability Analysis". 

Die englische Titel ist ins Griechische übersetzt. Immerhin. Wird aber nicht weniger amtsbürokratisch klingen als die deutsche Version: "Reformen für die Beendigung des laufenden Programms und darüber hinaus" und "Vorbereitende Schuldentragfähigkeitsanalyse". Keine weiteren Informationen stehen auf dem Wahlzettel.

Worüber stimmen die Griechen also ab am Sonntag? 

stern.de hat sich auf die Suche begeben und mehrere Dokumente gefunden, die die Gläubiger der griechischen Regierung vorlegten. 

Das sind unter anderem eine zwei Seiten umfassende Analyse der Schuldentragfähigkeit Griechenlands (offizieller Name: Preliminary Debt Sustainability Analysis), ein Auszahlungsplan bis Ende November 2015, ein zehnseitiger Aktionsplan, der verschiedene Reformen aufzählt, die Athen sofort durchsetzen müsse, und ein technisches Memorandum, in dem auf 17 Seiten die Finanzfachbegriffe geklärt werden. 

Klingt noch viel komplizierter?

Hier eine kleine Kostprobe:

Das Angebot der Gläubiger: Der Aktionsplan über Griechenland-Reformen vom 26.6.15
© Europäische Commission

Selbst wer es ins Deutsche übersetzt, wird es kaum verstehen. Als Laie im Finanzgeschäft kann man die Texte kaum nachvollziehen. Die Dokumente sind bisher nicht googlebar, eine griechische Übersetzung gibt es nicht: Nur die wenigsten Griechen werden am Sonntag wissen, worüber sie abstimmen. 

Was also steht in den Dokumenten? 

Die Gläubiger gewähren der griechischen Regierung eine Verlängerung des Hilfsprogramms bis Ende November 2015. 15,5 Milliarden Euro soll Athen in mehreren Raten erhalten. Außerdem führt der Entwurf weitere 35 Milliarden Euro Unterstützung auf. Das ist allerdings kein extra Wachstumspaket, sondern normales EU-Geld aus dem Strukturfördertopf der Europäischen Kommission. Die Zuschüsse stehen Griechenland in den Jahren von 2014 bis 2022 ohnehin zu. Da Griechenland sich an der Förderung der Zahlungen beteiligen muss, kann das klamme Athen sie vermutlich aber nicht abrufen.

Die Dokumente enthalten keine Vorschläge zu einer Umschuldung oder ein konkretes drittes Hilfsprogramm. Stattdessen kleine Tricks: Der Begriff Rentenkürzungen taucht in den Dokumenten nirgendwo auf. Die Beitragserhöhungen sollen allerdings steigen, was faktisch einer Rentenkürzung gleich kommt: Die Rentner bekommen am Ende weniger Geld. 

Tsipras hat das Angebot am Wochenende abgelehnt und das Referendum einberufen. Die Griechen haben nun die Wahl: Nein oder ja zum Entwurf der Institutionen. Der Wahlzettel ist umständlich formuliert, die Inhalte kompliziert und vielschichtig. Umso entscheidender für den Ausgang des Referendums ist, wie sehr die Politik die griechische Bevölkerung beeinflusst. Kommissions-Chef Jean-Claude Juncker plädierte am Montag nachdrücklich für das "Ja", Athen einheitlich für das "Nein". 

Spottende Stimmen haben auf Twitter bereits einen neuen Vorschlag für die Gestaltung des Wahlzettels: 

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