Rückzug des Eurogruppenchefs Auf der Suche nach einem neuen Juncker

Es gab Zeiten, in denen sich Luxemburgs Premier Juncker die Spitzenämter der EU aussuchen konnte. Diese Epoche ist zwar vorbei, doch der Luxemburger gilt als schwer ersetzbar.

Der Abschied Jean-Claude Junckers von der Brüsseler Bühne bringt die Mächtigen in die Zwickmühle. Pierre Moscovici reagierte schnell und wortgewandt. Frankreichs oberster Kassenhüter rühmte Eurogruppenchef Juncker für seine Verdienste in der Euro- und Schuldenkrise: "Man braucht eine Vision, Führungskraft und die Fähigkeit, einen Konsens zu finden", meinte der Sozialist. Da war die Nachricht noch ganz frisch: EU-Veteran Juncker wird Ende des Jahres oder Anfang nächsten Jahres den Vorsitz der Euro-Finanzminister niederlegen.

Die eleganten Elogen des mächtigen Pariser Ministers übertünchen eine Leere, die nach der Ankündigung des luxemburgischen Premiers deutlich spürbar war. Obwohl es ein Abschied auf Raten ist - schon im Frühjahr hatte der 57-Jährige von einem Rückzug gesprochen, war das Erstaunen groß. Debatten über die Personalie habe es überhaupt noch nicht gegeben, versicherte Moscovici. Er gab sich auch überrascht zu Spekulationen, wonach er für den Topposten gehandelt wird.

Wortkarg zeigte sich Wolfgang Schäuble, der im vergangenen Sommer als potenzieller Eurogruppenchef gehandelt wurde. Es sei "nichts anderes geschehen", als dass Juncker gesagt habe, er wolle Ende Januar das Amt aufgeben, so der deutsche Finanzminister. "Mehr ist nicht geschehen, deshalb kann ich dazu nicht mehr sagen."

Jahrelange intensive Arbeit

Juncker ist seit 2005 der erste ständige Vorsitzende des exklusiven Währungsclubs, der jeden Monat die Euro-Kassenhüter, EU-Währungskommissar Olli Rehn und den Patron der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, zusammenführt. In der Runde wird über die Griechenland-Rettung, die Bankenunion und der künftige institutionelle Zuschnitt des gemeinsamen Währungsraums debattiert.

"Er hat den Präsidentenposten geschaffen", resümierte Moscovici mit Blick auf Juncker. Die jahrelange Krise hinterließ Spuren. "Eurogruppe heißt vier Stunden intensive Arbeit am Tag", meinte der Christdemokrat einmal. "Die vier Stunden hätte ich gerne für mich selbst, höchstpersönlich." Europas dienstältester Regierungschef ist für seinen beißenden Humor bekannt. "Wenn ich Hellseher wäre, würde ich mein Geld auf der Kirmes verdienen", meinte er beim vergangenen Gipfeltreffen zur EU-Finanzplanung.

Deutsch-Französische Zusammenarbeit

Deutschland und Frankreich schafften es nach Einschätzung von Experten bisher nicht, ein Konzept für die Führung des gemeinsamen Währungsraums zu entwickeln. Noch im vergangenen Sommer verkündete der französische Staatspräsident François Hollande, es werde eine "deutsch-französische Lösung" für die Eurogruppe geben. Hinter den Kulissen wurde ein Rotationsmodell für den Vorsitz gehandelt: Erst Schäuble, dann Moscovici.

Statt einer deutsch-französischen Personal-Lösung reiben sich Moscovici und Schäuble öffentlich bei der Ausgestaltung des Prestigevorhabens einer europäischen Bankenaufsicht. Beide werden nicht müde, ihre gute Zusammenarbeit hervorzuheben, doch dies überzeugt nicht alle. Vielleicht werden auch deshalb Stimmen lauter, die Führung des Währungsraums in den Händen eines Regierungschefs zu belassen, der auch bei den Gipfeln der europäischen Staatenlenker am Tisch sitzt. Als potenzielle Anwärter gelten bei dieser Variante der Niederländer Mark Rutte oder Finnlands Jyrki Katainen.

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Christian Böhmer, DPA