Marina Owssjannikowa sah ziemlich erschöpft aus, als sie das Gericht in Moskau verließ und den Journalisten kurz Rede und Antwort stand: "Ich hatte zwei unruhige Tage, die ich schlaflos verbracht habe. Das Verhör dauerte mehr als 14 Stunden. Ich durfte meine Familie nicht kontaktieren und erhielt keine juristische Hilfe. (...) Aber heute muss ich mich erst ausruhen", sagte Owssjannikowa. Zuvor war sie zu einer Ordnungsstrafe von 30.000 Rubel (aktuell etwa 226 Euro) verurteilt worden. Ob noch weitere Verfahren wegen ihrer spektakulären Protest-Aktion folgen, ist offen.
Der Plan, die abendliche Nachrichtensendung vom staatlichen Kanal 1, dem populärsten TV-Sender Russlands, mit einem Protestplakat gegen den Ukraine-Krieg zu kapern ("Stoppt den Krieg"), war schon länger gereift, wie die britische Zeitung "The Guardian" nun berichtet. Demnach habe Owssjannikowa einem Freund oder einer Freundin ("a friend") in ihre Pläne eingeweiht. Der Freund wolle aus Sicherheitsgründen anonym bleiben.
Owssjannikowa sei immer wütender geworden
Wie der anonyme Freund berichtet, sei die Wut Owssjannikowas wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine immer größer geworden. "Zwei Tage zuvor (vor dem Protest) erzählte sie mir, was sie vorhat." Auch seien ihr die Konsequenzen der Aktion vollkommen bewusst gewesen. " "Es ist so mutig, dass sie ihre Meinung sagt. Ich mache mir natürlich große Sorgen um sie", sagt die anonyme Quelle.
Die Quelle kenne Owssjannikowa schon seit Jahren. Sie beschreibt die Journalistin als "großherzige Frau", die sich um Menschen und Freunde kümmere. "Sie hatte ein sehr gutes und angenehmes Leben und reiste viel", erzählt der Freund. Und: Er habe nicht damit gerechnet, dass sie ihren Protest durchzieht. Ein weiterer Bekannter, der in dem "Guardian"-Bericht zitiert wird, beschreibt Owssjannikowa als "einfühlsame und kluge" Person.
"Sie ist eine Heldin"
Ein anderer Aspekt, von dem die Quelle spricht, ist die Tatsache, dass Owssjannikowa selbst als Journalistin jahrelang das System der staatlichen Propaganda unterstützt habe. Er habe wegen ihrer Arbeit für Kanal 1 auf sie herabgeblickt: "Ich dachte, wie kann ein ehrlicher Mensch solche Lügen erzählen." Diesen Punkt spricht Owssjannikowa ebenfalls in dem Video an, das sie parallel zu ihrer Aktion im Internet veröffentlicht hatte. Sie schäme sich dafür, jahrelang Kreml-Propaganda verbreitet zu haben, sagte sie dort unter anderem.
Jetzt aber, berichtet der Freund weiter, sei er einerseits stolz auf sie, habe aber gleichzeitig auch Angst. "Ich habe geweint, als ich sie da im Fernsehen gesehen habe. In dem Moment wusste ich, dass ihr Leben nie wieder so sein wird wie es vorher war. Sie ist eine Heldin."
Quelle: "The Guardian".