Sarah Palin Die Rechte feiert ihren Pitbull

Sarah Palin kam aus dem Nichts und ist binnen einer Woche zur Ikone der republikanischen Partei geworden. Wenn die Gouverneurin aus Alaska nun ihre Rede hält, weiß sie vor allem eine mächtige Gruppe hinter sich: die Abtreibungsgegner - schwangere Tochter hin oder her.
Von Matthias B. Krause, St. Paul

An den Penissen kommt sie nur schwer unbehelligt vorbei. Die "Missile Dick Chicks" schwenken ihre Pappmaché-Raketen wie Schwänze in Hüfthöhe über den Gehweg und singen Spottlieder. "Bomb, bomb Iran" nach der Melodie eines Beach-Boys-Hits gehört zu den Favoriten der Frauen, die gegen den Irak-Krieg protestieren. Die kleine, unscheinbare Dame lässt die Kriegsgegner links liegen. Ihren weißen Plastikhut mit dem Elefanten-Emblem der Republikaner zieht sie nur noch fester über die grauen Haare. Dann steuert sie entschlossenen Schrittes auf den Eingang des Hotels in der Innenstadt von St. Paul, Minnesota zu. Ein ganz in Pink gekleideter Mann hält ihr ein Transparent entgegen. "Pro life = universal health care" - was immer er damit auch meinen mag. Auch ihn beachtet sie nicht. Die Frau zieht die Eingangstür des Hotels auf und stürzt Richtung Rolltreppe in den ersten Stock. Oben angekommen, lockert sie endlich den festen Griff um die Tasche, die über ihrer Schulter hängt. Darin befindet sich ein Stapel Broschüren, Broschüren der "Operation Outcry", einer Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, legale Wege der Abtreibung in den USA abzuschaffen. Endlich darf sie sich unter Gleichgesinnten wähnen.

Auszeichnung der Abtreibungsgegner

Denn Myra Jean Myers findet in dem Hotel dankbare Abnehmer für ihre Flugblätter. Die Republican National Coalition for Life (RNC Life), nach den Worten ihrer Vorsitzenden Phyllis Schlafly die "Crème de la Crème der Anti-Abtreibungsbewegung in den USA", hat geladen, um am Rande des Republikaner-Parteitages einen Preis zu verleihen. Er geht an die Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin, neuerdings auch John McCains Kandidatin für die Vizepräsidentschaft. Die RNC allerdings hatte sie schon im Mai eingeladen, als noch niemand ahnen konnte, dass der Senator ihr das hohe Amt antragen würde. Die Abtreibungsgegner wollen Palin dafür auszeichnen, dass sie sich entschied, im April ihr fünftes Kind zur Welt zu bringen, obwohl sie wusste, dass es das Down-Syndrom haben würde.

Im Foyer zum Festsaal, in dem noch das üppige Buffet gerichtet wird, dominieren die hellen Cowboyhüte der Delegierten aus Texas, jenem Bundesstaat, aus dem auch Schlafy und Myers stammen. Die Männer tragen Jeans mit Bügelfalte in spitzen Lederstiefeln, die Frauen blaue Röcke mit roter Bluse, wahlweise auch mit dem Motiv des Sternenbanners bedruckt. Viele haben sich ein blau-weiß-rotes Herz angesteckt, den aktuellen Partybutton der RNC, kaum einer ist jünger als vierzig. In einer Ecke neben einem Pfeiler sitzt Sharon Johnson und hält sich an ihrem Pappbecher mit Kaffee fest. Sie ist gekommen, um Palin zu sehen. "Ich bin entzückt, absolut entzückt, dass McCain sie ausgewählt hat", sagt Johnson, "ich denke, viele waren überrascht. Aber diejenigen von uns, die das Leben lieben, haben den Eindruck, sie hat ihren Worten wirklich Taten folgen lassen."

Johnson hat so einiges gelesen und gehört von Palin, am besten ist ihr ein Scherz in Erinnerung geblieben, den Palin angeblich gerne erzählt. "Was ist der Unterscheid zwischen einem Pitbull und einer Hockey Mom", fragt sie rhetorisch, um nach einer Kunstpause das Rätsel aufzulösen: "Hockey Moms tragen Lippenstift." Johnson grinst vergnüglich und fügt ein anerkennendes "That's my girl" an. Johnson gehört wie die meisten hier zu den Veteranen der Bewegung, die seit Jahren dafür kämpft, dass der Oberste Gerichtshof der USA eine Entscheidung im Fall Roe vs. Wade" aus dem Jahre 1973 rückgängig macht, die die Abtreibungen in Amerika de facto legalisierte.

Palins Wahl verleiht McCain Glaubwürdigkeit im rechten Lager

Für die "Social Conservatives", der gesellschaftspolitischen Rechte ist der Fall "Roe vs. Wade" der politische Lackmustest schlechthin. Und umso drängender, da der nächste Präsident die Chance haben könnte, bis zu drei neue Richter am Supreme Court zu bestimmen - und damit das Pendel zugunsten der Abtreibungsgegner ausschlagen zu lassen. Die religiöse Rechte macht rund 20 Prozent der Wählerschaft in den USA aus und trug entscheidend zu den Erfolgen von Amtsinhaber George W. Bush bei. McCain galt ihnen bislang jedoch als ein Wackelkandidat, auch wenn er sich neuerdings offen als einer der "Pro-Life"-Vertreter gibt.

Walley Naylor, der Chef der lokalen RNC-Gruppe, sagt: "Zuerst waren wir nicht von McCains Kandidatur überzeugt. Aber Palin hat das Spiel komplett verändert. Die Begeisterung, die sie bringt, wird schwer zu schlagen sein." Eine ähnliche Beobachtung hat Yantis Green gemacht, ein Geschäftsmann aus Texas, der alle paar Minuten an seinem Multifunktionshandy fummelt, um ja keine E-Mail zu verpassen: "In unserer Delegation aus Texas sprechen wir dauernd über Palin, beim Frühstück, beim Mittagessen, beim Abendbrot. Und irgendeiner sagt immer: Ich kann es gar nicht fassen, dass wir sooo eine Vizepräsidentin haben." Dabei reißt Green seine Augen auf, soweit es nur geht.

Dass Palin sogleich voll in die Schusslinie der Kritik geriet, beeindruckt hier niemanden. "So ist halt die Politik", sagt Green, "alle spielen Hardball." Dabei habe sie als Gouverneurin in den vergangenen zwei Jahren mehr wichtige Entscheidungen getroffen, als Senator Barack Obama in seinem ganzen Leben. Die Nachricht, dass Palins minderjährige Tochter Bristol im fünften Monat schwanger ist, verstehen sie hier als Zeichen, dass sie eine von ihnen ist, kein Mitglied der Eliten. "Ich wette, fast jeder hier kennt eine ähnliche Situation aus seiner Familie, aus seinem Freundeskreis", sagt Johnson. Naylor findet die Entscheidung Palins, ihre Tochter dazu zu bewegen, das Kind zu behalten und ihren 18 Jahre alten Freund zu heiraten, beispielhaft: "Die Frage ist nicht, in welchen Problemen die Leute stecken, sondern was sie tun, um sie zu lösen." Und da bekommt Palin hier durchweg gute Noten.

Das üppige Buffet ist inzwischen eröffnet, da schmerzt die Nachricht weniger, dass Palin nicht kommt. Offenbar wollen die McCain-Wahlkämpfer vermeiden, dass die massiv vom Gegenlager unter Beschuss Geratene sich den Medien stellen muss, bevor sie nun ihre Einstandsrede gibt. Statt ihrer tritt Laura Ingraham auf, eine rechte Radiotalkerin, die weiß, wie sie ihr Publikum auf Temperatur bringt. "Es gibt keine größere Bedrohung für die Eliten in diesem Land als eine Frau, die stark ist und ihre konservative Überzeugung kennt", ruft sie. Der Saal johlt. "Sarah Palin repräsentiert alles das, was sie hassen", fügt sie noch hinzu, wofür sie mit donnerndem Applaus belohnt wird.

Irgendwie ist es dem Mann in Pink gelungen, sich mit seinem ominösen Plakat in den Saal zu drängen. Als die rund 700 Geladenen ihn entdecken, brüllen sie ihn mit "Sarah, Sarah"- Rufen nieder. Der Sicherheitsdienst führt ihn ab, trotzdem umklammert Myra Jean Myers ihre Broschüren wieder fester. Neben ihr steht Sharon Johnson und sagt: "Ich kann es kaum erwarten, nach Hause zu kommen. Ich will in die Wahlbezirke, ich will die Leute anrufen, ich will Geld geben..."

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