Im Superwahljahr "Nur Ja heißt Ja": Sexualstrafrecht befeuert Regierungskrise in Spanien

Die Gleichstellungsministerin Irene Montero steht hinter der Reform des Sexualstrafrechts in Spanien
Die spanische Gleichstellungsministerin Irene Montero konnte bisher einige Erfolge vorweisen, nun fällt ihr die Reform des Sexualstrafrechts auf die Füße
© Zuma Wire / Imago Images
Einen Tag vor dem Weltfrauentag schürt ein eigentlich feministisches Gesetz den Streit der Regierung in Spanien. Das "Nur Ja heißt Ja"-Gesetz reformierte das Sexualstrafrecht – und sorgte dafür, dass verurteilte Straftäter früher aus dem Gefängnis entlassen wurden. Heute könnte sich das ändern.

"Das Gesetz hat bei seiner Anwendung einige unerwünschte Auswirkungen gehabt. Unerwünschte Auswirkungen ist dabei eine Untertreibung." Das ist das Fazit des spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez zu einem Gesetz aus seiner Amtszeit. Im Oktober hatte seine linksgerichtete Minderheitsregierung unter der Führung von Gleichstellungsministerin Irene Montero eine kleine Revolution umgesetzt: Das "Nur Ja heißt Ja"-Gesetz reformierte das spanische Sexualstrafrecht nach schwedischem Vorbild. Wenn beim Geschlechtsverkehr nicht beide Seiten ausdrücklich zustimmen, kann ein Täter oder eine Täterin wegen sexueller Aggression bestraft werden. Damit müssen nicht mehr die häufig traumatisierten Opfer nachweisen, dass sie sich ausdrücklich gewehrt haben. Doch das Gesetz hat auch eine Nebenwirkung: Dutzende verurteilte Sexualstraftäter wurden früher entlassen. Die Regierungspartei könnte heute eine Reform in die Wege leiten, gegen den Willen des Juniorpartners.

Gleichstellungsministerin Irene Montero steht der Reform des Sexualstrafrechts

In dem überarbeiteten Sexualstrafrecht sind auch andere Strafmaße verankert. Für eine Vergewaltigung fallen höhere Strafen an, doch für andere Sexualtatbestände wurden die Mindeststrafen gesenkt. Das führte dazu, dass Gerichte die Haftstrafen von mehr als 700 einsitzenden Straftätern reduzierten. Rund 70 verurteilte Sexualstraftäter wurden früher als erwartet aus dem Gefängnis entlassen. Vor diesen "Auswirkungen", wie Sánchez sie nannte, hatte der Generalrat der Judikative, die Vertretung der Richter, schon vorher gewarnt.

Ein Verurteilter, der 17 Frauen vergewaltigt hatte, musste statt 15 Jahren lediglich neun verbüßen und wurde deshalb entlassen. Auch die Strafe eines Lehrers, der vier minderjährige Schüler für Sex bezahlte, wurde drastisch verringert – er kam ebenfalls frei. Für die konservative und rechtspopulistische Opposition ein gefundenes Fressen – denn es ist Superwahljahr in Spanien.

Spanien ist im Superwahljahr

Ende des Jahres wird in Spanien das Parlament neu gewählt, im Mai finden Regional- und Kommunalwahlen statt. Eigentlich wollte die Regierung um Ministerpräsident Pedro Sánchez mit Gesetzen wie diesen Auftrieb für die Wahlen gewinnen. Doch die Parteien der Minderheitsregierung geraten immer wieder aneinander, insbesondere seitdem Fälle wie die beschriebenen bekannt werden. Ministerpräsident Sánchez von der Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) will das Gesetz nun reformieren, notfalls mit den Stimmen der Opposition und an seinem Juniorpartner vorbei.

Die Gleichstellungsministerin Irene Montero von der Unidas Podemos (UP) ist hauptverantwortlich für das seit Oktober geltende Sexualstrafrecht. Sie befürchtet durch eine Reform wieder alte Verhältnisse: "Wir wollen keine Rückkehr zu einem patriarchalischen System, in dem man als Opfer gefragt wurde, ob man die Beine richtig geschlossen hatte." Ihre Partei wirft Sánchez deshalb vor, dem "Druck der Rechten" nachzugeben. Sánchez selbst will nach eigenen Aussagen beibehalten, dass die Sexualpartner zustimmen müssen, er wolle nur zu den vorherigen Mindeststrafen zurück.

Die Regierung von Pedro Sánchez liegt in Umfragen hinten

Das Thema ist nicht das erste, bei dem sich die Regierung uneins ist. Erst im Februar verabschiedete das spanische Parlament wegweisende Regeln: einen leichteren Zugang zu Abtreibung, freie Tage bei Menstruationsbeschwerden (der so genannte "Menstruationsurlaub") oder das Selbstbestimmungsrecht für trans Menschen ab 16 Jahren. Montero inszenierte sich als feministische Fortschrittsministerin, doch die Abstimmungen sorgten in der Bevölkerung auch für Kritik, beispielsweise bei Arbeitgeberverbänden.

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Bei der Wählerschaft in Spanien kommen die Streitereien jedenfalls nicht gut an. In aktuellen Umfragen führt die konservative Volkspartei (PP) von Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo mit rund 27-32 Prozent je nach Institut, die PSOE von Sánchez liegt mit 25-28 Prozent dahinter.

Quellen:  "Mallorca Zeitung", "FAZ", mit Agenturen