Der US-Präsident räumte Osama bin Laden keine Chance ein. "Wenn er glaubt, er könne sich verstecken und vor den USA und ihren Verbündeten fliehen, dann hat er sich schwer getäuscht", sagte George W. Bush kurz nach dem 11. September 2001. In diesem Frühjahr wagte der US-Armeesprecher in Afghanistan dann die Prognose: "Wir sind sicher, dass wir Osama bin Laden dieses Jahr fassen." Doch nun neigt sich das dritte Jahr dem Ende zu, in dem der Al-Kaida-Chef die Supermacht an der Nase herumführt. Die Spur Bin Ladens, sagt der pakistanische Präsident Pervez Musharraf, sei erkaltet.
Spionageflugzeuge und "Predator"-Drohnen
Dabei verstärkte Washington die Suche nach dem Terroristen in diesem Jahr noch mal. Das zuvor im Irak eingesetzte Spezialkommando 121, ein Team aus Elitesoldaten und Geheimdienstler, wurde in das unwegsame afghanisch-pakistanische Grenzgebiet verlegt, wo Bin Laden vermutet wird. Spionageflugzeuge und raketenbestückte "Predator"-Drohnen kreisten über der Gegend. Die Überwachung, hieß es im Frühjahr aus dem US-Militär, sollte bald lückenlos sein.
So wurden Spekulationen angeheizt, Bush wolle den meistgesuchten Terroristen der Welt, der seinen Häschern bereits mehrfach knapp entwischt sein soll, noch vor der amerikanischen Präsidentenwahl im November in US-Gefangenschaft präsentieren. Doch der Coup blieb aus. Stattdessen meldete sich der Al-Kaida-Chef selber kurz vor dem US-Wahl wieder per Videobotschaft zu Wort und drohte mit neuen Anschlägen.
27 Millionen Dollar Kopfgeld
Auch die ausgelobten 27 Millionen Dollar Kopfgeld führten nicht dazu, dass Bin Laden den USA ins Netz ging, sondern lockten zwielichtige Kopfgeldjäger an. Er sei Bin Laden dicht auf den Fersen gewesen, sagte der frühere US-Soldat Jonathan K. Idema, nachdem er und seine Komplizen im Juli in Kabul festgenommen worden waren. Die selbst ernannten Terroristenjäger betrieben nach Auffassung des Gerichts mitten in der afghanischen Hauptstadt ein Privatgefängnis mit Folterkeller. Unschuldige Afghanen wurden dorthin verschleppt - die Bande erhoffte sich Hinweise auf gesuchte Al-Kaida-Terroristen.
Kritiker meinen, die USA und Pakistan hätten an einem Erfolg der Suche möglicherweise nur noch eingeschränktes Interesse. Bush ist wiedergewählt, und solange Bin Laden auf freiem Fuß ist, kann die US-Regierung den Anti-Terror-Krieg in voller Härte rechtfertigen. Für Musharraf, so der pakistanische Journalist Ahmed Rashid, könnte es schwerwiegende Konsequenzen haben, sollte Bin Laden gefangen genommen oder getötet werden. Al-Kaida-Racheakte und neue Anschläge gegen den umstrittenen Präsidenten könnten die Folge sein.
"Lassen Sie uns auf unser Glück bauen"
"Wir wissen nicht, wo er ist", räumte Musharraf vor wenigen Tagen in der "Washington Post" ein. Die pakistanische Armee musste verkünden, bei einer neunmonatigen Operation im Grenzgebiet mit hunderten Toten "keine Hinweise auf die Anwesenheit Osama bin Ladens gefunden" zu haben. Der afghanische Präsident Hamid Karsai glaubt trotzdem, der Al-Kaida-Chef sei noch in der Region. "Früher oder später werden wir ihn bekommen", sagte Karsai dem US-Nachrichtensender CNN vor kurzem. Er fügte allerdings auch hinzu: "Lassen Sie uns auf unser Glück bauen."