Die Lufthansa-Piloten wollen den Kranich zu Boden zwingen: Erstmals in der Geschichte des Unternehmens will die Pilotenvereinigung Cockpit gleich für vier Tage Deutschlands größte Fluggesellschaft bestreiken. Während frühere Pilotenstreiks sich gewöhnlich auf einzelne Stunden oder Tage konzentrierten und sich dann langsam steigerten, setzt die Gewerkschaft nun gleich zum Auftakt ihres Arbeitskampfes auf härteste Konfrontation. Dies könnte kommende Woche zig tausende Passagiere treffen und der Lufthansa Millionenschäden bescheren.
Das Klima beim langjährigen Top-Arbeitgeber Lufthansa habe sich geändert, beschreibt die Tarifexpertin der Vereinigung Cockpit, Ilona Ritter, die Situation. Die Lufthansa sei ein Unternehmen gewesen, in dem die Arbeit als Sozialpartner Spaß gemacht habe und das noch in der schlimmsten Krise auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet habe. Das sei aber vorbei: "Der Kranich hat Federn gelassen. Die Unternehmenskultur hat gelitten."
Der Lufthansa-Konzern ist in den vergangenen Jahren sehr schnell gewachsen und zur Nummer Eins in Europa aufgestiegen. Neben der mittlerweile erfolgreichen Swiss wurden die österreichische Austrian Airlines, die belgische Brussels Airlines und die British Midland an Bord geholt. Zudem fliegen etliche Regionalflieger wie Contactair, die Air Dolomiti, Augsburg Airways und Eurowings für den Konzern. Daneben wurden Lufthansa Italia und neue Cargo-Töchter wie Jade und Aerologic gegründet.
Vielen Piloten passt die ganze Linie nicht: "Die Töchter und Zukäufe werden dazu verwendet, Arbeitsplätze zu verlagern", schimpft Thomas von Sturm, ehemaliger Cockpit-Chef und aktuell Vorsitzender der Tarifkommission. Das "Premium-Produkt Lufthansa" werde immer schwerer erkennbar. Die Piloten seien in den monatelangen Verhandlungen zu vielen Zugeständnissen bis hin zur Nullrunde bereit gewesen. Doch diese Ersparnisse sollten nach dem Willen von VC auf keinen Fall für Zukäufe draufgehen, die dann zum Ersatz von Arbeitsplätzen im Inland verwendet würden. Zu derartigen Zusicherungen sei das Unternehmen aber nicht bereit gewesen.
Die oftmals als elitär angesehenen und extrem gut organisierten Bestverdiener in den Cockpits hoffen zudem auf Unterstützung aus den anderen Berufsgruppen. "Unsere Strategie zum Schutz deutscher Arbeitsplätze kommt auch den Beschäftigten in der Kabine und am Boden zugute", erklärt von Sturm selbstbewusst. Er rechne auch dort demnächst mit Arbeitskämpfen.
Der Streik kommt für die Lufthansa zum ungünstigen Zeitpunkt. In der Wirtschaftskrise war nicht nur die Zahl der Passagiere stark zurückgegangen, zunehmend nutzen auch Geschäftsreisende die Billigtickets, mit denen sich weit weniger Gewinn als mit der First- oder Business-Class erwirtschaften lässt. Und die Frachttochter Lufthansa Cargo kündigte erst kürzlich an, wegen des Rückgangs der Frachtmenge und des Preisverfalls jeden zehnten der 4500 Arbeitsplätze streichen zu wollen.
Die Lufthansa-Tochter Eurowings hatte schon im Januar angekündigt, mehr als die Hälfte ihrer Flugzeuge stillzulegen und rund 600 Stellen abzubauen. Hintergrund: Die kleinen Flugzeuge vom Typ CRJ 200 lassen sich angesichts des seit Jahrzehnten wachsenden Luftverkehrs kaum noch wirtschaftlich betreiben. Laut VC sind 500 Pilotenjobs bedroht. Erste Entlassungen seien mit "Eiseskälte exekutiert" worden, sagt von Sturm.
Lufthansa steht zudem vor Problemen, die nur wenige Unternehmen in Deutschland sonst kennen: Gleich mehrere Spezialgewerkschaften sind im Betrieb vertreten - jede für sich kann den Flugverkehr wirksam stören. Als schlagkräftigste Gruppe gelten mit Abstand die Piloten. Aber auch die meist von Verdi organisierten Techniker hatten schon 2008 gezeigt, dass ohne ihre Arbeit der Flugverkehr zusammenbricht. Daneben gibt es in der Lufthansa auch noch eine eigene Gewerkschaft für Flugbegleiter mit dem Namen UFO.
Erfolgreiche Strategien gegen ihre geschlossen auftretende Pilotenschar hat die Lufthansa kaum. Vereinzelt können zwar ins Management gewechselten Piloten sich wieder an die Steuerknüppel setzen, da sie die Pilotenlizenz aufrechterhalten. Doch dies ist wegen der strikten Arbeitszeitregeln für Piloten auch nur begrenzt machbar. Im innerdeutschen Verkehr kann die Lufthansa ihre Passagiere noch an die Bahn verweisen, zudem werden Töchter wie Cityline nicht bestreikt. Doch das gewinnträchtige Geschäft mit Flügen quer durch Europa oder nach Asien und Amerika dürfte hart getroffen werden.