Eine Stunde nach der Öffnung des Wahllokals in der Moshaweng High-School hat sich schon eine Schlange von rund 500 Menschen gebildet. Guten Mutes warten die Menschen, bis sie an der Reihe sind. Die meisten schwarzen Südafrikaner betrachten es immer noch als Privileg, wählen zu dürfen, wie die Lehrerin Kereeditse Setlholoeng betont. Deshalb nahmen sie das stundenlange Schlangestehen bei der Parlamentswahl am Mittwoch gelassen in Kauf.
Hohe Wahlbeteiligung
Schon um 05.30 Uhr erschienen die ersten Wähler vor dem Stimmlokal, das die Ortschaften Loopeng, Slough, Cahar und andere Gemeinden im Moshaweng-Tal bedient. Die Region am Rande der Kalahari-Wüste nördlich von Kuruman gehört zu den abgelegensten und ärmsten Gegenden Südafrikas. Hier leben rund 60.000 Menschen vom Volk der Tswana, die unter dem Apartheid-Regime zwangsweise in die Wüste ausgesiedelt wurden.
Im Wahllokal der Moshaweng High-School sind 1.788 Wähler registriert. Von der langen Menschenschlange am frühen Vormittag kann auf eine hohe Wahlbeteiligung geschlossen werden. Dabei müssen manche Menschen bis zu 12 Kilometer zurücklegen, um zu dem Wahllokal zu gelangen. Wer kein Auto oder keinen Eselskarren zur Verfügung hat, kommt eben zu Fuß - selbst Schwangere, Behinderte und alte Menschen, die bereits am Dienstag gesondert wählen durften.
ANC ist Favorit
Für die Lehrerin Setlholoeng aus der drei Kilometer entfernten Ortschaft Mathanthanyaneng ist das alles kein Problem. Das Wichtigste ist für sie, eine Stimme zu haben, und die will sie dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC) geben. Sie betont, wie viel sich in den zehn Jahren seit den ersten freien Wahlen in Südafrika verbessert hat. So sind die Dörfer im Moshaweng-Tal jetzt alle mit Elektrizität und Wasser versorgt, und die Sozialleistungen für Rentner und Kinder haben so manche Not gelindert, wie auch Setlholoengs Kollegin Violet Dituku hervorhebt. All dies sei nur dem ANC zu verdanken.
Im Moshaweng-Tal kann die Regierungspartei mit einer Zustimmung von gut 80 Prozent rechnen. Die einzige andere Organisation, die dort noch eine Basis hat, ist die Vereinigte Christlich-Demokratische Partei (UCDP) von Lucas Mangope, zur Zeit mit drei Sitzen im Parlament von Kapstadt vertreten. Ihre Anhänger verweisen vor allem darauf, dass zehn Jahre nach dem ersten Wahlsieg des ANC immer noch große Armut in der Region herrscht, weil Arbeitsplätze fehlen.
Arbeitsplätze als Test für gute Regierungspolitik
"Der ANC hat seine Wahlversprechen nicht erfüllt", sagte Jeanett Phakedi, die sich mit Näharbeiten einen kargen Lebensunterhalt verdient. Sie klagt insbesondere über Korruption in den Reihen des ANC. So würden Jobs oder Stipendien, wenn sie denn zur Verfügung stünden, an Parteiaktivisten oder deren Freunde vergeben.
Die große Mehrheit der Wähler, die in bester Stimmung vor der Moshaweng High-School warten, will davon nichts wissen. Auch die jungen Menschen, die zum ersten Mal wählen dürfen, bekennen sich freimütig zum ANC. Allerdings sind sie nicht ganz so geduldig wie ihre Eltern, was die dringend notwendigen Verbesserungen in der Region betrifft. Der 18-jährige Schüler Benedict Boitlhomo formuliert es so: "Ich wähle ANC, aber ich erwarte auch, dass er seine Wahlversprechen erfüllt."