Die Terroranschläge im vergangenen Sommer in London mit mehr als 50 Toten wurden nach einem offiziellen Untersuchungsbericht ohne direkte Unterstützung der Terrorgruppe al Kaida geplant. Demnach ließen sich die vier Selbstmordattentäter zwar vom Gedankengut der al Kaida-Terroristen inspirieren, hatten dort aber keine Hintermänner. Der Bericht wurde von Innenminister John Reid im Unterhaus vorgestellt. Streit gab es darüber, ob die Anschlagsserie durch eine bessere Arbeit von Polizei und Geheimdiensten hätte verhindert werden können.
Außer der Regierung legte auch der Geheimdienst-Ausschuss des Parlaments einen Bericht vor. Daraus ergibt sich, dass zwei der Rucksack-Bomber in Pakistan waren und bereits vor den Anschlägen unter Beobachtung der Geheimdienste standen. Der Sicherheitsdienst MI5 sei auf Mohammed Sidique Khan und Shehzad Tanweer "am Rande anderer Überwachungs- und Ermittlungstätigkeiten" aufmerksam geworden, hieß es in dem Bericht. Die Spur wurde aber nicht weiter verfolgt, weil die Dienste mit Ermittlungen gegen andere mutmaßliche islamische Extremisten beschäftigt waren. Dazu heißt es in dem Bericht: "Wenn mehr Mittel zur Verfügung gestanden hätten, wären die Chancen auf eine Vereitelung der Juli-Anschläge möglicherweise höher gewesen."
"Erhebliches Versagen" der Geheimdienste
Bei den Bombenanschlägen auf die Londoner U-Bahn und einen Bus wurden am 7. Juli vergangenen Jahres insgesamt 56 Menschen getötet, darunter auch die vier Rucksack-Bomber. Es gab rund 700 Verletzte. Sofort kam die Vermutung auf, dass al Kaida nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA wieder eine westliche Metropole ins Visier genommen hätte. Die beiden Berichte kommen jetzt jedoch zu dem Schluss, dass es neben den Attentätern keine weiteren Drahtzieher gegeben hat.
Die Bomben wurden nach Erkenntnissen der Behörden mit Bauplänen hergestellt, die im Internet zu finden sind. Alles in allem seien dafür weniger als 12.000 Euro erforderlich gewesen, sagte Innenminister Reid. Die konservative Opposition hielt der Regierung vor, zu viele Fragen offen gelassen zu haben. Es habe "eindeutig ein erhebliches Versagen" der Geheimdienste gegeben, sagte ihr innenpolitischer Sprecher David Davis.
Unterschiedliches Echo bei Hinterbliebenen und Verletzten
Dem Ausschussbericht zufolge waren zwei der Rucksackbomber dem Geheimdienst bekannt. Beide hielten sich längere Zeit in Pakistan auf, wo al Kaida Ausbildungslager hat. Auch die Telefonnummer eines dritten Attentäters wurde in den Akten des Inlandsgeheimdienstes MI5 entdeckt, allerdings erst nach den Anschlägen. Als Konsequenz müsse die Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden besser koordiniert werden, heißt es in dem Bericht.
Bei den Familien der Hinterbliebenen und den Verletzten stießen die Berichte auf ein unterschiedliches Echo. Mehrere Angehörige warfen den Behörden vor, wenig Neues herausgefunden zu haben. Der Fahrer des ausgebombten Busses, George Psaradakis, sagte: "Wenn jemand sich selbst umbringen und anderen schaden will, kann ihn niemand davon abhalten."