Nach massiven Protesten von Tibet-Unterstützern haben die Veranstalter den olympischen Fackellauf durch Paris abgekürzt. Von den ursprünglich geplanten 28 Kilometern wurde das olympische Feuer nur etwa 20 Kilometer durch die Stadt getragen, berichtete das französische Fernsehen. Die Fackel wurde angesichts des Chaos auf den Straßen mehrmals gelöscht und schließlich mit einem Bus zur geplanten Endstation, einem Stadion im Süden von Paris, transportiert. Erst auf den letzten fünf Metern trug sie wieder ein Sportler in der Hand. Auch eine Feier vor dem Pariser Rathaus wurde aus dem Programm gestrichen.
Das Feuer war zuvor gelöscht worden, die Fackelträgerin unter Polizeischutz in einen Bus eingestiegen. Eine Polizeisprecherin sagte, die Ursache sei ein "technischer Fehler" gewesen. Die Störung habe jedoch nur wenige Minuten gedauert, berichtete der Fernsehsender "LCI".
3000 Polizisten waren im "Mutterland der Menschenrechte" aufgeboten worden, um die Zeremonie vor Protesten zu schützen, nachdem es tags zuvor schon in London zu ähnlichen Vorfällen gekommen war. Frankreich war die letzte europäische Station des Olympischen Feuers. Es reist danach am Montagabend weiter nach San Francisco. Trotz der Proteste haben nun alle 205 vom IOC anerkannten Nationalen Olympischen Komitees (ANOC) ihren Start bei den Olympischen Spielen in Peking im August angekündigt.
IOC-Vizepräsident und DOSB-Chef Thomas Bach verurteilte am Montag die Angriffe auf den Fackellauf. "Gegen friedliche Demonstrationen hat niemand etwas einzuwenden, was wirklich befremdlich ist, ist, dass jetzt bei dem Fackellauf ein Symbol (...) mit Gewalt angegriffen wird", sagte er der ZDF-Sendung "heute journal".
Eskorte auf Motorrad, Inlineskates und zu Fuß
Knapp 50 Wagen der Bereitschaftspolizei sollten die Flamme abschirmen, rund 300 Beamte waren als Eskorte auf Motorrädern, Inlineskates oder zu Fuß mobilisiert. Die Polizei nahm acht Menschen fest. Darunter fand sich eine Abgeordnete der französischen Grünen-Partei.
Laut IOC darf das Feuer nie erlöschen. Sollte es dennoch passieren, muss dieselbe Zeremonie in Olympia wiederholt werden. Um das zu vermeiden, wird die "Mutter-Flamme" in einer eigenen Laterne mitgeführt und von mehreren Sicherheitsleuten rund um die Uhr bewacht. Die erste Fackel des Tages muss an dieser "Mutter-Flamme" entzündet werden.
Frankreichs Regierung uneins
In Paris waren 80 Fackelläufer vorgesehen. Die Strecke verlief vom Eiffelturm quer durch die Stadt über die Champs Elysees, am Rathaus und der Nationalversammlung vorbei. Der Fackellauf begann vor zwei Wochen in Griechenland.
Eine Banderole mit der Aufschrift: "Paris verteidigt die Menschenrechte überall in der Welt" prangte am Rathaus der Stadt. Die Organisation Reporter ohne Grenzen entrollte auf dem Eiffelturm und der Kathedrale Notre Dame Transparente, auf denen die olympischen Ringe von Form von Handschellen dargestellt waren. Vom Hissen der tibetischen Flagge am Parlament wurde aber abgesehen.
Nicolas Sarkozy, französischer Staatspräsident und EU-Ratsvorsitzender während der Spiele, schließt einen Boykott der Eröffnungsfeier nach wie vor nicht aus. Die Entscheidung hänge von der weiteren Entwicklung in Tibet ab, sagte sein Außenminister Bernard Kouchner. Den Grünen geht die offizielle Haltung nicht weit genug. Sie hatten einen parallelen Fackellauf für die Menschenrechte gefordert. "Wir sind das Mutterland der Menschenrechte, es sei denn, wir wollen unsere Schnellzüge, Atomkraftwerke oder Flugzeuge nach China verkaufen", sagte der Europa-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit der Zeitung "Journal du Dimanche".
Unter dem Eindruck der Proteste machte auch IOC-Präsident Jacques Rogge Druck auf Peking. "Ich bin sehr besorgt über die internationale Situation und über das, was in Tibet geschieht", sagte er auf einer Konferenz des Internationalen Olympischen Komitees in der chinesischen Hauptstadt. "Das IOC ruft zu einer raschen und friedlichen Lösung in Tibet auf." Zugleich bekräftigte er seinen Widerstand gegen jede Form eines Boykottes. "Unsere Hauptverantwortung ist es, gute Wettkämpfe zu ermöglichen, die die Sportler verdienen."
Stationen des Fackellaufs
Mindestens 22 Tote in Tibet
Bei der Niederschlagung von tibetischen Autonomie-Protesten in Lhasa und westlichen chinesischen Regionen wurden in den vergangenen Wochen nach Angaben Pekings 22 Menschen getötet, Anhänger des Dalai Lamas sprechen von 140 Opfern. Peking steht auch wegen der Haltung gegenüber dem Sudan in der Darfur-Krise in der Kritik. China protestierte nun gegen die Störungen während des Fackellaufs in London. Einige "tibetische Separatisten" hätten versucht, die Veranstaltung "zu sabotieren", so ein Sprecher des Olympia-Organisationskomitees laut der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua. Ihr Verhalten sei "abscheulich".
Ein Demonstrant in London hatte versucht, die Flamme einem Läufer zu entreißen. Ein weiterer wollte sie mit einem Feuerlöscher ersticken. 37 Personen wurden festgenommen.