Die Türkei will eine deutsche Blockade der Beitrittsgespräche mit der Europäischen Union nicht einfach hinnehmen. "Wir arbeiten an einer Antwort", sagte Europaminister Egemen Bagis der "Süddeutschen Zeitung" (SZ). "Nur so viel: Die Türkei hat auch noch andere Optionen." EU und die Türkei brauchten einander, sagte Bagis. "Es ist nicht fair, die Eröffnung des neuen Verhandlungskapitels, das vor allem ein technisches ist, wegen politischer Zwänge zu blockieren."
Die Europäische Union entscheidet am Montag über die Fortsetzung der Beitrittsgespräche mit der Türkei. Am Morgen beraten die EU-Botschafter über die Öffnung eines weiteren sogenannten Beitrittskapitels. EU-Kreisen zufolge ist Deutschland dagegen, auch die Niederlande hätten Bedenken geäußert. Bislang wurde erst eines von 35 Beitrittskapiteln oder Politikfeldern vorläufig abgeschlossen. Ein Dutzend weitere wurden eröffnet, das bislang letzte 2010.
Verstimmung nach Gewalt gegen Demonstranten
Die Türkei steht bei der EU wegen des brutalen Vorgehens der türkischen Sicherheitskräfte gegen Demonstranten in der Kritik. Bundeskanzlerin Angela Merkel selbst bezeichnete die Einsätze der türkischen Polizei als "viel zu hart". Sie äußerte sich vergangene Woche skeptisch, was die Eröffnung eines neuen Kapitels angeht. Außenminister Guido Westerwelle sagte am Sonntag, es gebe vielleicht noch eine Chance für eine gute Lösung. "Daran arbeiten wir." Es sei aber zu früh, bereits Einzelheiten zu nennen.
Am Donnerstag hatte eine Äußerung von Bagis zu deutsch-türkischer Verstimmung geführt, die in der wechselseitigen Einbestellung der Botschafter gipfelte. Bagis hatte gesagt: "Wenn Frau Merkel sich anschaut, was (der frühere französische Präsident Nicolas) Sarkozy erlebt hat, und nochmals überdenkt, wie es den Leuten ergeht, die gegen die Türkei sind, wird sie sehen, dass deren Ende nicht immer gut ist." Das war in Berlin als Drohung aufgefasst worden.
Bagis bekräftigte im SZ-Gespräch, er sei "komplett falsch verstanden" worden. "Ich habe Kanzlerin Merkel nicht gedroht. Ich war nur traurig zu hören, dass Deutschland die Blockade des nächsten Verhandlungskapitels betreibt, obwohl wir alle geforderten Voraussetzungen erfüllen", sagte er.