Gegen einen Gegenkandidaten Söder habe ich…? – Sandra Maischberger stellte eine ihrer zahlreichen Fragen, die Olaf Scholz vollenden sollte. Und der antwortete: nichts. Also, dass er nichts gegen Söder habe, das ist damit gemeint, aber man darf das gern auch anders verstehen. Dass da ein Mann sitzt, der nun Bundeskanzler werden will, und der sitzt da um die 25 Minuten im "Maischberger"-Talk und man mag ihm schon bald nicht mehr zuhören. Von wegen Wumms. Stattdessen schien es, als habe er den Autopiloten aktiviert, Plattitüde reihte sich an Plattitüde, Ausweichmanöver an Ausweichmanöver. Was soll es bedeuten? Kontrolliertheit? Souveränität? Wenn das eine weitere Bewerbung für die Nachfolge von Angela Merkel gewesen sein soll: Gut, dann muss Heidi Klum es ihm eben sagen: Olaf, heute haben wir leider kein Foto für dich.
Kanzler ja, aber nicht so dringend wie Schröder
Scholz hatte einmal – das Bild wurde während der Sendung eingeblendet – viele Haare, volles Haar. Maischberger nannte ihn einen "schicken, jungen Mann". Dass die Haare nicht mehr da sind, dafür kann er freilich nichts. Er weiß nicht, auch das erzählte er, was es bedeutet, arbeitslos zu sein. Lediglich "arbeitssuchend für einen Monat" sei er einmal gewesen. Ansonsten habe er "einen glücklichen Verlauf im Berufsleben" gehabt, erklärte Scholz. So dringend wie Schröder Bundeskanzler werden wollte, so dringend sei es bei ihm nicht gewesen, nicht das große Lebensziel, aber nun will er es, jetzt ist die Dringlichkeit da, es würde ein "harter Ritt", aber er wolle "ins Kanzleramt als Kanzler", und man fragte sich kurz, ob man im Kanzleramt auch was anderes machen kann, als Kanzler zu sein.
Während der Coronakrise stieg Scholz zum drittbeliebtesten Politiker in Deutschland auf – hinter Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn. Mit dem Wumms seiner Bazooka schindete der Bundesfinanzminister mächtig Eindruck. Später stellte sich heraus, dass viele Corona-Hilfen nicht angekommen sind, insbesondere nicht bei vielen Solo-Selbstständigen. Im Herbst, wenn die Insolvenzantragspflicht ab Ende September nicht mehr ausgesetzt ist, droht eine heftige Pleitewelle. Das heiße Finanz-Eisen fasste Maischberger allerdings – es sei "ein bisschen früh" – aus eigenem Entschluss nicht an, gleichwohl es durchaus was zu besprechen gäbe. Scholz versprach, im Herbst wieder in die Sendung zu kommen. Dann zu diesen Themen.

Kritik von der SPD-Doppelspitze: "Schwamm drüber"
Warum Kanzler? "Ich freue mich auf ein großes Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern", so Scholz, und kündigte zudem an, die Bürgerinnen und Bürger "mit Geschlossenheit zu überraschen". Man sei innerhalb der SPD nach einer schweren Krise zusammengekommen. Das sehe ihr, intervenierte Maischberger, jedoch nach einer "Show" aus. Via Einspieler spulte sie ein paar Monate zurück: Ende November sprachen sowohl Saskia Esken als auch Norbert Walter-Borjans öffentlich darüber, dass Scholz nicht unbedingt ein standhafter Sozialdemokrat sei; man traue ihm das Kanzleramt nicht zu. Scholz signalisierte, trotzdem es ihn, wie er sagte, getroffen habe, nun ein "Schwamm drüber" und beteuerte, er fühle sich nach 45 Jahren als Sozialdemokrat in seiner Partei gut aufgehoben und seine Partei sich mit ihm.
Klare Kante? Fehlanzeige.
Das größte Herumrudern gab es beim Thema: Wie regierungsfähig ist die Linke? Scholz, der als konservativer SPD-Politiker gilt, antwortete entweder mit "es wird noch viel zu diskutieren geben" und wiederholt auf ein Bündnis mit den Linken angesprochen, entzog er sich einer klaren Stellungnahme. Stattdessen zitierte er stoisch das Programm der SPD. Begriffe wie Respekt kamen da vor. Gute Idee. Wieso aber antwortete er dann auf eine spätere Frage Maischbergers, ob man, wie Esken es tat, Corona-Demonstranten als Covidioten bezeichnen dürfe, erneut ausweichend. Die Demonstranten hätten merkwürdige Theorien. Die Selbstreflexion fehlte auch an anderer Stelle. Maischberger konfrontierte ihn mit dem Fall Wirecard. Für den Wirecard-Skandal trage ich als Finanzminister…? Und wieder lavierte Scholz herum: "Das ist ein schlimmer Betrug. Wir müssen für Aufklärung und Transparenz sorgen."
Sonst noch was? Die weiteren Fragen und Antworten in aller Kürze:
Vermögensabgabe der Reichen an die Geschädigten durch die Coronakrise? – Ja.
Wiedereinführung der Vermögenssteuer? – Ja, wir wollen uns am Schweizer Modell orientieren.
US-Atomwaffen raus aus Deutschland? – Das ist eine Bündnisentscheidung.
Eine Auflösung der NATO? – Nein.
Sympathie für Antifa? – Wir sind gegen Faschismus.
Hartz IV streichen? – Wir wollen ein solidarisches Bürgergeld; das Sanktionsregime wollen wir beibehalten, aber ändern.
Bedingungsloses Grundeinkommen? – Finde ich falsch.
Spitzensteuersatz von 75 Prozent ab einer Million Jahreseinkommen? – Nein.