Krieg in der Ukraine Putin verdoppelt die Zahl der Gleitbomben – die militärische Lage der Ukraine

Eine russische Haubitze beschießt Stellungen der Ukraine
Eine russische Haubitze beschießt Stellungen der Ukraine
© Russian Defence Ministry
Putin rüstet auf, und Trump droht, Kiew im Stich zu lassen. 2024 war schon schwer für die freie Ukraine, doch 2025 wird noch schlimmer. Das Land steht vor dem Abgrund.

Am 24. Februar ging der Krieg in der Ukraine in das vierte Jahr. Aller Voraussicht nach wird 2025 noch schwerer für die freie Ukraine als das schon katastrophale 2024. Im entscheidenden Landkrieg gewinnen die Russen an Boden. An allen Frontabschnitten im Osten gehen die ukrainischen Truppen zurück, sie verzögern den russischen Vormarsch, an einigen Stellen gelingt es ihnen auch, die Russen längere Zeit zu stoppen – doch im großen Bild gewinnen die Russen. Ihr Vormarsch beschleunigt sich sogar. Ein deutliches Zeichen dafür findet sich auch in der Berichterstattung. Über den Verlust einzelner Dörfer wird gar nicht mehr berichtet, selbst der Fall von Städten wird achselzuckend zur Kenntnis genommen.

Nur in der Region Kursk gelang Kiew ein Angriff mit begrenzten Gewinnen. Diese Frontbeule wird zäh verteidigt, schrumpft aber seit Monaten. An einigen Stellen haben die Russen bereits die Ausgangsstellungen an der Grenze erreicht. Gleichzeitig haben sie sich der letzten Nachschubstraße nach Sudscha bedrohlich genähert.

Keine Großoffensive

Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Russland hat etwa 700.000 Mann im Einsatz. Ihnen stehen an der Front etwa 400.000 Ukrainer gegenüber. Im Großen und Ganzen erreichen die Russen keine mehrfache Überlegenheit, wie sie eine Großoffensive eigentlich erfordert. Daher haben sie sich auf eine andere Strategie verlegt. Obwohl die Zahl der Soldaten seit 2022 angestiegen ist, ist die Frontlinie dünn besetzt. Das Royal United Services Institute (RUSI) schätzt, dass eine ukrainische Brigade bis zu 27 Kilometer Front abdecken muss, bei einer Sollstärke von etwa 3500 Mann, die häufig nicht erreicht wird. Diese "Überdehnung" wird von beiden Seiten noch verstärkt. 

Die Russen nutzen ihren Vormarsch zum "Aufblühen" der Front. Das gelingt ihnen, weil Kiew möglichst kein Gebiet aufgeben will, um diese Linie zu begradigen. Die Russen suchen nicht die große Offensive, sie suchen Lücken und schwache Stellen in der Verteidigung, um dort meist mit sehr überschaubaren Kräften anzugreifen. Immer wieder werden Angriffe zurückgeschlagen, doch letztlich kommen die Russen zum Ziel. Dass sich zwei neu aufgestellte Kampfeinheiten der Ukraine – die 155. und 157. mechanisierte Brigade – schon vor Feindkontakt durch Massendesertion de facto aufgelöst haben, so wie es unter anderem "Le Monde" und "Forbes" berichteten, ist ein bedrohliches Zeichen. Es ist keineswegs selbstverständlich, dass die Verluste an der Front durch ausgebildete und motivierte Soldaten weiter ausgeglichen werden können. Geschweige denn, dass die Ukraine dem personellen Zuwachs von Putins Truppen begegnen kann.

FPV-Drohnen retten die Ukraine

Kiew kann die Front vor allem wegen des Einsatzes kleiner Drohnen halten. Das bedeutet nicht, dass Artillerie, Mörser und andere schwere Waffen an der Front keine Bedeutung haben. Die ukrainischen Streitkräfte haben aber zu wenig davon, während der Nachschub an Drohnen funktioniert. Er ist weder an die klassische Rüstungsindustrie noch an das Wohlwollen der Verbündeten gebunden. Kleine Drohnen haben zudem den Vorteil, dass sie nicht vor Beginn einer Operation ausgespäht und vernichtet werden können.  

Die Entwicklung des Drohnenkrieges steckte bislang voller Überraschungen, sodass Prognosen schwierig sind. Zusätzliche Panzerungen und ganze Gehäuse machen es schwer, gepanzerte Fahrzeuge zu zerstören. Elektronische Kriegsführung hat den Einsatz funkgesteuerter Drohnen erschwert, dafür sind Modelle aufgetaucht, die per Kabel gesteuert werden. Auch Drohnen, die selbstständig Ziele angreifen, sind inzwischen im Einsatz.

Beide Seiten arbeiten aber auch an Waffen, die kleine Drohnen auf kurze Distanz abschießen können. Und sie haben Netze entdeckt. Sie werden über Stellungen und in Wäldern gespannt und sollen sogar ganze Straßen schützen. Eine angreifende Drohne verheddert sich in so einem Netz, vor einem erfolgreichen Schlag müssten andere Drohnen zunächst ein Loch in die Sperre sprengen. Wird ein Wald von mehreren Vorhängen aus Netzen geschützt, wird ein Durchkommen praktisch unmöglich.

Die Ukraine wird kaputt gebombt

In der Ukraine wird derweil die kritische Infrastruktur zunehmend zerstört. Innerhalb eines halben Jahres konnten die Russen die Zahl der Angriffe mit Billigdrohnen nach iranischem Baumuster verfünffachen – 2500 dieser Drohnen fliegen inzwischen innerhalb eines Monats ein. Das russische Verteidigungsministerium plant, 2025 750 Iskander-Raketen herzustellen und mehr als 560 Marschflugkörper vom Typ Kh-101. 

Am erschreckendsten ist aber die Zahl der Gleitbomben. Diese Bomben werden von einem Jet außerhalb der Reichweite der Luftabwehr ausgeklinkt und schweben dann mit Stummelflügeln ins Ziel. 2023 konnte Putin etwa 4000 dieser Bomben einsetzen. 2024 waren es mehr als 40.000, und 2025 sollen nun 70.000 produziert werden. Die Bomben selbst wiegen zwischen 500 Kilogramm und drei Tonnen. Zum Vergleich: Marschflugkörper bringen zwischen 400 und 700 Kilogramm ins Ziel.

Noch gefährlicher: Die Russen haben verbesserte Gleitsätze entwickelt, die Reichweite des neuen Doppeldecker-Gleiters soll bis zu 165 Kilometer betragen. Die Einsatzzone wächst damit enorm. Rechnet man grob etwa 30 Kilometer "Sicherheitsabstand" zur Frontlinie, kann der alte Gleitsatz etwa 40 Kilometer hinter die ukrainische Front eindringen, der neue hingegen 135 Kilometer.

Verschärfte Kämpfe vor dem Kriegsende 

Tatsächlich gelingen Kiew auch Erfolge. Die russische Schwarzmeerflotte wurde nicht nur neutralisiert, ihre Schiffe werden geradezu gejagt. Die Ukraine hat eine ganze Reihe eindrucksvoller Langstreckendrohnen entwickelt, die immer wieder Ziele tief in Russland angreifen. Bei kleinen Drohnen sind die Ukrainer zumindest ebenbürtig, wenn nicht gar überlegen.

Der Ausblick bleibt dennoch düster. Tatsächlich ist es inzwischen denkbar, dass der Krieg in wenigen Monaten endet. So lautet zumindest das öffentlich erklärte Ziel der Regierung von US-Präsident Donald Trump. Ebenso möglich ist es aber, dass sich die Parteien nicht einig werden oder sich die Verhandlungen noch monatelang hinziehen. Bis dahin ist mit einer Intensivierung der Kämpfe zu rechnen. Beide Seiten wissen, dass sich die Veränderungen in der Kriegslage und insbesondere am Boden direkt in einem Verhandlungsergebnis niederschlagen werden. Russlands Präsident Wladimir Putin wird daher alles unternehmen, um den Einbruch bei Kursk zu bereinigen. Und zugleich an der Front im Osten noch mehr Momentum aufzubauen. 

Je mehr ein Ende des Krieges in die Nähe rückt, umso rücksichtsloser wird er von Moskau geführt werden. Putin wird seine Truppen möglichst nahe an den Dnjepr bringen wollen und womöglich versuchen, erneut einen Brückenkopf am anderen Ufer zu errichten. Die größte Herausforderung für die Ukraine wird darin liegen, in den nächsten Monaten den Nachschub an Rüstungsgütern aufrechtzuerhalten und eine weitere Erosion der Moral der Truppen zu verhindern.

Eine Friedenslösung wird voraussichtlich weit von den Kriegszielen Kiews – Befreiung aller besetzten Gebiete einschließlich der Krim – entfernt sein und Gebietsabtretungen und Einschränkungen der staatlichen Souveränität beinhalten. Ein Siegfrieden für Russland und ein Eingeständnis der militärischen Niederlage für die Ukraine. So ein Ergebnis dürfte sich schon vor Abschluss des Vertrages negativ auf die Kampfkraft der ukrainischen Streitkräfte auswirken.

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