15-Punkte-Plan Russlands Forderungen – und was die Ukraine dazu sagt

Ein Blumenkranz ist auf einem Friedhof im ukrainischen Wassylkiw niedergelegt worden
Ein Blumenkranz ist auf einem Friedhof im ukrainischen Wassylkiw niedergelegt worden, während im Hintergrund Rauch von Granaten aufsteigt
© Vadim Ghirda / DPA
Kommen die Verhandlungen über einen Frieden in der Ukraine voran? Inzwischen gibt es einen russischen 15-Punkte-Plan für einen möglichen Kompromiss. Die Ukraine ist misstrauisch.

Können die Verhandlungen zwischen ukrainischer und russischer Seite endlich Frieden bringen? Die Signale der Unterhändler sind noch uneindeutig; sie schwanken zwischen Skepsis und vorsichtigem Optimismus. Von einem Durchbruch bei den Konsultationen sei aber noch lange nicht zu reden, heißt es weiterhin.

Bestätigt wird inzwischen, dass beide Seiten an einem Dokument arbeiten, das möglicherweise in naher Zukunft von Kreml-Chef Putin Wladimir Putin und Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj besprochen werden könnte.

Bringt 15-Punkte-Plan Frieden im Ukraine-Krieg?

Die Londoner Zeitung "Financial Times" (FT) berichtet unter Berufung auf fünf mit den Verhandlungen vertrauten und nicht näher genannten Personen von einem 15-Punkte-Plan, an dem beide Kriegsparteien arbeiten und der eine mögliche Lösung in dem Krieg aufzeigen könnte. Es gebe "erhebliche Fortschritte bei einem vorläufigen Friedensplan", schreibt das Blatt. Das "einige Tage alte" Dokument beinhaltet demnach unter anderem folgende Punkte, weitere sind nicht bekannt:

  • Kiew gibt seine Ambitionen auf, der Nato beizutreten.
  • Die Ukraine verzichtet auf ausländische Militärbasen im Land.
  • Streifragen über das ukrainische Staatsterritorium sollen in einem späteren Schritt diskutiert werden.
  • Die Ukraine soll eine eigene Armee behalten.
  • Staaten wie die USA, Großbritannien und die Türkei sollen zusätzlich die ukrainische Sicherheit garantieren. 
  • Die russischen Truppen ziehen sich im Gegenzug aus der Ukraine zurück.

Die Inhalte des Papiers werden von offizieller Seite bislang nur indirekt bestätigt. Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak schreibt bei Telegram, der 15-Punkte-Plan, über den die FT berichtet, beinhalte ausschließlich die russischen Positionen – "mehr nicht". Die ukrainischen Forderungen seien darin nicht berücksichtigt. Das Einzige, was er zur Zeit als Diskussionsgrundlage bestätigen könne, seien eine Waffenruhe, ein Rückzug der russischen Truppen und Sicherheitsgarantien einer Reihe von Staaten.

Auf ukrainischer Seite herrschen großes Skepsis gegenüber der möglichen Kompromissbereitschaft Moskaus und ein verständliches, tiefes Misstrauen gegenüber der russischen Führung.

Alexander Rodnyansky, ein weiterer Berater des ukrainischen Präsidenten, glaubt, die Angebote des Kreml seien eine "typische Täuschung". Russland gehe es bei seiner angeblichen Kompromissbereitschaft vielmehr darum, Zeit zu kaufen, um die eigene Strategie anzupassen und weitere Truppen heranzuziehen, um eine weitere Offensive zu starten. "Und währenddessen uns allen in Europa, den Menschen Hoffnung zu geben, dass es doch Frieden geben könnte und deswegen härtere Maßnahmen wie ein Öl-Embargo gar nicht nötig", erläutert Rodnyansky am Mittwochabend in der ARD-Sendung "Maischberger. Die Woche" die Haltung Kiews.

Vermeintliche Friedenslösungen deckten sich nicht mit den militärischen Handlungen Russlands in der Ukraine. "Man muss bedenken: Das ist ein Regime, mit dem man über 20 Jahre lang schon spricht und jedes Mal wurde getrickst", meint der Präsidentenberater und verweist auf die Lügen aus Moskau im Zusammenhang mit der Annexion der Krim und im Vorfeld des Überfalls Russlands auf die Ukraine. "Wenn dieses Regime jetzt spricht und sagt, sie wären interessiert an einer friedlichen Lösung, können wir leider nicht viel glauben und wollen es auch nicht."

Was sind Russlands Wort wert?

Tatsächlich ist die Frage, was Sicherheitszusagen Russlands für sein Nachbarland wert sind. Mit dem Angriffskrieg verstößt die Russische Föderation nicht nur eklatant gegen das Völkerrecht, sondern bricht auch das verbindliche Abkommen zwischen Russland, der Ukraine und den Vereinigte Staaten von 1994, wonach die Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine zugesagt wird.

Helfen Sie den Menschen in der Ukraine
Stiftung stern: Hier spenden

Doch bei aller Skepsis: Der ukrainische Präsident Selenskyj hält die Verhandlungspositionen inzwischen für realistischer als noch zu Beginn des Krieges. Auch Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat nach eigener Aussage mittlerweile eine "gewisse Hoffnung, einen Kompromiss zu erzielen".

"детй" - "Kinder" - steht deutlich sichtbar in kyrillischer Schrift vor und hinter dem Theater in Mariupol. Das Gebäude wurde dennoch attackiert.
"детй" - "Kinder" - steht deutlich sichtbar in kyrillischer Schrift vor und hinter dem Theater in Mariupol. Das Gebäude wurde dennoch attackiert.
© Maxar Technologies / DPA
Mariupol-Theater bombardiert: Großer Schriftzug wies auf "Kinder" im Gebäude hin

Ob sich Selenskyj und Putin tatsächlich in naher Zukunft zusammenfinden, um über einen Frieden in der Ukraine zu verhandeln, ist trotz des 15-Punkte-Planes fraglich. Präsidentenberater Rodnyansky ist pessimistisch. "Man muss sich im Klaren darüber sein, dass dies ein Regime ist, dass eine militärische Lösung sucht und auch weiterverfolgen wird", meint er in der ARD. "Das heißt, dass der Krieg leider weiterläuft"

Quellen: "Financial Times" (kostenpflichtig, englisch)Mychajlo Podoljak bei Telegram (ukrainisch) "Maischberger. Die Woche", Nachrichtenagenturen DPA und AFP

wue

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos