Am Ende wirken die Appelle zunehmend verzweifelt. In der Nacht vom 23. auf den 24. Februar 2022 fordern Diplomaten bei den Vereinten Nationen, der UN-Sicherheitsrat möge sich mit der Lage an der russisch-ukrainischen Grenze auseinandersetzen. Noch in jener Nacht setzt die EU neue Russland-Sanktionen in Kraft, UN-Generalsekretär António Guterres ruft auf: "Präsident Putin, halten Sie Ihre Truppen davon ab, die Ukraine anzugreifen, geben Sie dem Frieden eine Chance. Zu viele Menschen sind bereits gestorben." Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wendet sich per Videobotschaft an das Nachbarvolk: "Wollen die Russen Krieg? Die Antwort hängt nur von Ihnen ab, den Bürgern der Russischen Föderation!"
Eilmeldungen am ersten Tag des Ukraine-Kriegs
Es sind letzte, vergebliche Versuche, das Unabwendbare noch abzuwenden. Westliche Geheimdienste erwarten bereits die Eskalation, auch die Bundesregierung in Berlin ist schon von den USA informiert, dass es losgeht. "Die Blutkonserven werden aufgetaut, die Raketenwerfer beladen, die Fahrzeuge sind markiert, und die Truppen bewegen sich eindeutig auf die Grenze zu", berichtet Vizekanzler Robert Habeck ein Jahr später im "Protokoll der Zeitenwende" dem stern über seine damaligen Informationen. Das Pentagon meldet nach Mitternacht: Russische Truppen haben ihre Vorbereitungen so weit abgeschlossen, dass sie jeden Moment losschlagen könnten.
Noch ist in den Nachrichten von der "Ukraine-Krise" die Rede. Um 4.11 Uhr wird daraus der "Ukraine-Krieg". Deutsche Redaktionen erreicht eine Eilmeldung der Nachrichtenagentur DPA: "Kremlchef Putin genehmigt Militäreinsatz in Ostukraine." 24 Minuten später meldet die Agentur: "Biden: Russland hat vorsätzlich Krieg begonnen." Damit ist klar: Erstmals seit Jahrzehnten überfällt in Europa die Armee eines Landes einen anderen souveränen Staat. Es herrscht Krieg auf dem Kontinent.
Der 24. Februar 2022 ändert alles, er geht in die Geschichte ein wie der 9. November 1989 oder der 11. September 2001. Es ist der Tag, an dem Wladimir Putin die bisherige Ordnung zerstört, und von dem an der Ukraine Gigantisches, dem Westen viel abverlangt wird – und dessen Folgen auch drei Jahre später nicht abzusehen sind.
Es folgen an dem Tag Dutzende weitere Eilmeldungen der DPA. In der Rückschau zeigen sie die Atemlosigkeit jenes Donnerstags, aber sie belegen auch die Entschlossenheit des Westens, der Ukraine beizustehen. Sie läuten das ein, was Bundeskanzler Olaf Scholz Tage später eine "Zeitenwende" nennen wird.
Blicken Sie hier noch einmal zurück, auf den Tag der die Welt veränderte – in 35 Eilmeldungen:
Der 24. Februar 2022 in Eilmeldungen
Die EU hat in der Ukraine-Krise neue Sanktionen gegen Russland in Kraft gesetzt. Zu den Betroffenen zählen unter anderem der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu, Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow sowie Vize-Ministerpräsident Dmitri Grigorenko, wie aus dem in der Nacht zum Donnerstag veröffentlichten Amtsblatt der Europäischen Union hervorgeht.
Angesichts des drohenden russischen Einmarsches in die Ukraine soll sich der UN-Sicherheitsrat erneut mit der Krise beschäftigen. Diplomatenkreise teilten der Deutschen Presse-Agentur mit, dass das Treffen des mächtigsten UN-Gremiums nach einer entsprechenden Anfrage Kiews noch in der Nacht zum Donnerstag stattfinden soll.
UN-Generalsekretär António Guterres hat vor dem drohenden Einmarsch Russlands in die Ukraine an Moskau appelliert. "Präsident Putin, halten Sie Ihre Truppen davon ab, die Ukraine anzugreifen, geben Sie dem Frieden eine Chance. Zu viele Menschen sind bereits gestorben", sagte Guterres bei einer kurzfristig anberaumten Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates in New York am Mittwochabend (Ortszeit).
Kremlchef Wladimir Putin hat im Konflikt mit der Ukraine einen Auslandseinsatz des russischen Militärs in den Regionen Luhansk und Donezk offiziell angeordnet. Das teilte der Kreml am Donnerstag in Moskau mit. Putin entsprach damit einer schriftlichen Bitte der Chefs der Volksrepubliken Luhansk und Donezk um Beistand, um Angriffe von der ukrainischen Armee abzuwehren. Putin hatte ein militärisches Eingreifen schriftlich in Aussicht gestellt, sollte er gefragt werden.
Russland hat nach Angaben von US-Präsident Joe Biden "vorsätzlich" einen "Krieg" gegen die Ukraine begonnen. Russland alleine sei verantwortlich für die dadurch ausgelösten Todesfälle und das menschliche Leid, erklärte Biden am Mittwochabend (Ortszeit). Die USA und ihre Verbündeten würden Russland entschlossen dafür "zur Rechenschaft ziehen", erklärte er.
Deutschland hat schwere Konsequenzen gegen Russland wegen des angekündigten Einmarsches in die Ukraine angekündigt. "Die russische Aggression wird politisch, wirtschaftlich und moralisch einen beispiellosen Preis haben", sagte die deutsche UN-Botschafterin Antje Leendertse bei einer kurzfristig anberaumten Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates in New York am Mittwochabend (Ortszeit).
Russland hat nach Angaben des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba mit einem großen Einmarsch in der Ukraine begonnen. Kremlchef Wladimir "Putin hat gerade eine große Invasion der Ukraine gestartet. Friedliche ukrainische Städte werden attackiert. Das ist ein Angriffskrieg", teilte der Minister am Donnerstag bei Twitter mit.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat den russischen Angriff auf die Ukraine auf das Schärfste verurteilt. Der "rücksichtslose" Angriff bringe "die Leben zahlloser Zivilisten" in Gefahr, erklärte Stoltenberg am Donnerstag.
Als Reaktion auf die russische Militäroperation im Donbass hat die Ukraine ihren gesamten Luftraum geschlossen. Das berichtete das öffentlich-rechtliche Fernsehen am frühen Donnerstagmorgen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat im ganzen Land den Kriegszustand ausgerufen. Das teilte er am Donnerstag in einer Videobotschaft mit. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte zuvor eine Militäroperation gegen das Nachbarland angeordnet.
US-Präsident Joe Biden hat den "unprovozierten und ungerechtfertigten" russischen Angriff auf die Ukraine in einem Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj verurteilt. Er habe Selenskyj soeben über die weiteren geplanten Maßnahmen der USA und der westlichen Verbündeten gegen Russland unterrichtet, inklusive "harter Sanktionen", erklärte Biden am Donnerstag.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den russischen Angriff auf die Ukraine als eklatanten Bruch des Völkerrechts verurteilt. "Er ist durch nichts zu rechtfertigen", erklärte Scholz am Donnerstag in einer ersten Reaktion, die vom Bundespresseamt verbreitet wurde. Russland müsse diese Militäraktion sofort einstellen.
Nach Angaben des Generalstabs der ukrainischen Armee hat es einen Beschuss im Osten des Landes durch russisches Militär gegeben. Es gebe Angriffe von Gebieten und Siedlungen entlang der Staatsgrenze sowie auf mehreren Flugplätzen, teilte der Generalstab am Donnerstagmorgen in Kiew mit. Landungsoperationen des russischen Militärs in der südostukrainischen Stadt Odessa habe es nicht gegeben. "Die Situation ist unter Kontrolle."
Das ukrainische Militär hat eigenen Angaben zufolge im Gebiet Luhansk fünf russische Flugzeuge und einen Hubschrauber abgeschossen. Das teilten die ukrainischen Landstreitkräfte am Donnerstagmorgen mit.
Die EU wird nach Angaben von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratschef Charles Michel umgehend ein neues Sanktionspaket gegen Russland beschließen. Dieses werde "massive und schwerwiegende Folgen" für das Land haben, teilten Michel und von der Leyen am Donnerstag gemeinsam mit. Ein für den Abend geplanter Krisengipfel solle darüber beraten.
Die Separatisten haben nach dem russischen Einmarsch in der Ostukraine die Einnahme von zwei Kleinstädten gemeldet. Es handele sich dabei um Stanyzja Luhanska und um Schtschastja. Demnach sind russische Truppen über den Fluss Siwerskyj Donez vorgedrungen, der bisher die Frontlinie bildete. Die Behörden in Kiew bestätigten zugleich das Vordringen der prorussischen Kräfte auf das von ukrainischen Regierungstruppen kontrollierte Gebiet.
Angesichts des russischen Einmarsches in die Ostukraine hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj "sofortige Sanktionen" gegen Moskau gefordert. Er brauche zudem Verteidigungshilfe sowie finanzielle Unterstützung, schrieb Selenskyj nach Telefonaten unter anderem mit Bundeskanzler Olaf Scholz am Donnerstag auf Twitter.
Die neuen geplanten EU-Sanktionen gegen Russland werden nach Angaben von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Zugang russischer Banken zu den europäischen Finanzmärkten stoppen. Zudem sollen russische Vermögenswerte in der EU eingefroren werden, und wichtigen Sektoren der russischen Wirtschaft soll der Zugang zu Schlüsseltechnologien und Märkten verwehrt werden.
Infolge russischer Luftangriffe sind ukrainischen Angaben zufolge mindestens 7 Soldaten getötet und 15 weitere verletzt worden. Zudem würden 19 Soldaten vermisst, teilte das Innenministerium in Kiew am Donnerstagmorgen mit. Eine Brücke über den Fluss Inhulez in der Südukraine sei zerstört worden.
Angaben des ukrainischen Grenzschutzes zufolge sind russische Panzer in die Ostukraine eingerückt. Mehrere Kolonnen hätten im Gebiet Luhansk bei Krasna Taliwka, Milowe und Horodyschtsche von russischem Territorium aus die Grenze überquert, teilte die Behörde am Donnerstag mit.
Außenministerin Annalena Baerbock hat nach dem russischen Angriff auf die Ukraine schärfste Sanktionen gegen Russland angekündigt. "Wir werden das volle Paket mit massivsten Sanktionen gegen Russland auf den Weg bringen", sagte die Grünen-Politikerin am Donnerstag in Berlin nach einer Sitzung des Krisenstabes im Auswärtigen Amt. Dazu werde sich Deutschland international mit der Europäischen Union, der Nato sowie den stärksten Wirtschaftsmächten im G7-Format abstimmen.
Als Reaktion auf den russischen Einmarsch bricht die Ukraine die diplomatischen Beziehungen mit dem Nachbarland Russland ab. Das sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj am Donnerstag in der ukrainischen Hauptstadt Kiew.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will am Sonntag in einer Sondersitzung des Bundestags eine Regierungserklärung "zur aktuellen Lage" halten. Das geht aus einem Schreiben von Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hervor, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Die Nato geht angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine in den Krisenmodus. "Wir haben beschlossen (...) zusätzliche Schritte zu unternehmen, um die Abschreckung und Verteidigung im gesamten Bündnis weiter zu verstärken", heißt es in einer am Donnerstag verabschiedeten Erklärung der 30 Bündnisstaaten. Alle Maßnahmen seien und blieben aber "präventiv, verhältnismäßig und nicht eskalierend".
Die Nato aktiviert angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine die Verteidigungspläne für Osteuropa. Der Oberbefehlshaber der Nato-Streitkräfte bekommt damit weitreichende Befugnisse, um zum Beispiel Truppen anzufordern und zu verlegen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Donnerstag aus Bündniskreisen.
Die Staats- und Regierungschefs der Nato-Staaten werden am Freitag zu einer Sondersitzung zu Russlands Krieg gegen die Ukraine zusammenkommen. Das teilte die britische Nato-Vertretung am Donnerstag in Brüssel mit. Die Beratungen sollen per Videokonferenz erfolgen.
Die ukrainische Hauptstadt Kiew hat wegen des russischen Angriffs Luftalarm ausgelöst. Die Stadtverwaltung rief am Donnerstag alle Bürgerinnen und Bürger dazu auf, sich in Luftschutzbunkern in Sicherheit zu bringen.
Die EU-Staaten haben sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag auf die Grundzüge des neuen Sanktionspakets gegen Russland verständigt. Angaben aus EU-Kreisen zufolge zielt es auf die Bereiche Energie, Finanzen und Transport ab. Zudem soll es Exportkontrollen für Hightech-Produkte und Software sowie Einschränkungen bei der Visapolitik geben.
Russland hat nach ukrainischen Angaben das ehemalige Atomkraftwerk Tschernobyl erobert. Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal sagte am Donnerstag, Russland kontrolliere die sogenannte Sperrzone und alle Anlagen der Atomruine.
Wegen der sich verschlechternden Sicherheitslage zieht die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vorübergehend ihre Beobachter aus der Ukraine ab. Das gab OSZE-Generalsekretärin Helga Schmid am Donnerstagabend bekannt.
Nach Beginn des Kriegs in der Ukraine hat US-Präsident Joe Biden weitere "harte Sanktionen" gegen Russland angekündigt. Die Maßnahmen werden das russische Finanzsystem hart und über Exportkontrollen auch den Technologiesektor treffen, wie Biden am Donnerstag im Weißen Haus sagte.
Nach Beginn des Kriegs in der Ukraine hat US-Präsident Joe Biden Sanktionen gegen Russlands zweitgrößte Bank angekündigt. VTB Bank und weitere russische Kreditinstitute würden damit vom US-Finanzmarkt und Geschäften in US-Dollar ausgeschlossen, sagte Biden am Donnerstag im Weißen Haus.
Die US-Regierung verlegt nach Russlands Angriff auf die Ukraine weitere Streitkräfte nach Europa. "Jetzt genehmige ich die Entsendung zusätzlicher US-Streitkräfte nach Deutschland als Teil der Nato-Reaktion", sagte US-Präsident Joe Biden am Donnerstag im Weißen Haus in Washington.
Die Staats- und Regierungschefs der EU haben am Donnerstag bei einem Sondergipfel einem umfangreichen Sanktionspaket gegen Russland zugestimmt. Die Strafmaßnahmen betreffen unter anderem die Bereiche Energie, Finanzen und Transport. Zudem soll es Exportkontrollen für bestimmte Produkte sowie Einschränkungen bei der Visapolitik geben.
Nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ostukraine hat Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj eine allgemeine Mobilmachung angeordnet. Das Staatsoberhaupt habe ein entsprechendes Dekret unterschrieben, meldete die Agentur Unian unter Berufung auf das Präsidialamt in Kiew. Die Anordnung gilt demnach 90 Tage und sieht die Einberufung von Wehrpflichtigen und Reservisten vor.
Zum Hintergrund: Die Auswahl enthält alle DPA-Eilmeldungen zum Ukraine-Konflikt beziehungsweise -Krieg vom 24. Februar 2022. Alle Zeitangaben MEZ, sofern nicht anders angegeben. Die DPA ist die größte deutschsprachige Nachrichtenagentur und beliefert als Dienstleister fast alle großen Medienhäuser in Deutschland, darunter auch den stern, mit Nachrichten, Reportagen, Hintergrundstücken, Interviews – und mit Eilmeldungen. Sie künden von "Ereignissen, Mitteilungen oder anderen Informationen von herausgehobener Tragweite", wie Froben Homburger, der Nachrichtenchef der DPA, dem stern erklärte. "Etwa, weil sie besonders folgenreich oder besonders überraschend oder besonders erschütternd oder aus anderen Gründen politisch, wirtschaftlich, sportlich, kulturell oder wissenschaftlich besonders wichtig sind."
Von noch höherer Dringlichkeit sind die sogenannten Blitzmeldungen der DPA, die über "Breaking News von herausragender, teilweise sogar epochaler Bedeutung" informieren – unter die eigentlich auch der Kriegsbeginn in Europa fallen würde. Aber: "Was wäre aber der Moment für den einen DPA-Blitz gewesen?", gab Homburger bei X zu bedenken. "Als Putin einen Militäreinsatz in der Ostukraine genehmigte? Als Biden sagte, das sei ein vorsätzlicher Krieg? Als die Ukraine von einer großen Invasion sprach? Als Selenskyj den Kriegszustand ausrief? Als die Nato erstmals reagierte?" So blieb es am 24. Februar 2022 bei Eilmeldungen, 35 an der Zahl.
Dieser Artikel erschien erstmals anlässlich des ersten Jahrestags des russischen Überfalls auf die Ukraine und wurde aktualisiert.