"Die Bundeswehr, das Heer, das ich führen darf, steht mehr oder weniger blank da", schreibt Alfons Mais, Inspekteur des Heeres der Bundeswehr auf Linkedin. Die Überraschung dürfte sich in Grenzen halten. Aber, dass Deutschlands oberster Heeressoldat der Bundeswehr öffentlichkeitswirksam einen derart katastrophalen Zustand attestiert, verdient doch zumindest das Prädikat "ungewöhnlich".
Wie schlecht es um die Bundeswehr bestellt ist, hat in der Vergangenheit immer wieder für Kopfschütteln – und Lacher gesorgt. Nur sollte die Wehrhaftigkeit einer der größten Industrienationen der Welt im besten Fall wenig Comedy-Potenzial bieten – gerade in der aktuellen Situation.
Deutschland muss seiner Rolle gerecht werden – auch militärisch
Als führendes Nato-Mitglied, als Teil der G7, als eine der größten Wirtschaftsnationen der Welt, trägt Deutschland eine Verantwortung. Eine Verantwortung, Partner zu schützen, die dazu selbst nicht in der Lage sind. Doch die Wahrheit ist: Deutschland kann der Ukraine militärisch nicht helfen, selbst wenn es wollte. Es könnte sich nicht einmal selbst helfen, sollte es zum Äußersten kommen. Das soll auch nicht heißen, dass (harte) Sanktionen wirkungslos sind. Doch sind sie eher mittel- bis langfristige Lösungen für akute Probleme. Kurzum: Es ist Zeit, aufzurüsten.
Und nein: Dies ist keine Forderung, den Eisernen Vorhang wieder hochzuziehen. Es geht darum, als Nation mündig zu sein und die Augen für die Realität zu öffnen. Denn es wird der Zeitpunkt kommen, da der Westen die Gespräche mit Russland wieder wird aufnehmen müssen – höchstwahrscheinlich nach dem Fall der Ukraine.
Natürlich ist auch das schlagkräftigste Militärbündnis kein Garant für Frieden. Aber es kann einen Aggressor wie Putin zum Zuhören zwingen. Oder, wie es Ex-Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer erstaunlich treffend auf Twitter formuliert hat: "Wir haben die Lehre von Schmidt und Kohl vergessen, dass Verhandlungen immer den Vorrang haben, aber man militärisch so stark sein muss, dass Nichtverhandeln für die andere Seite keine Option sein kann." Recht hat sie. Deutschland kann in Zukunft nicht jedes Mal, wenn es brenzlig wird, wie ein weinendes Kind, das im Sandkasten umgeschubst wurde, zu Mama USA laufen. Wenn die Bundesrepublik auf der geopolitischen Bühne mitspielen und als Teil der Nato ernstgenommen werden will, muss es seinen Teil im Ernstfall beitragen können – auch militärisch.
Deutschland exportiert Waffen auf Rekordniveau
Seit langem fordern die USA Deutschland dazu auf, seiner Rolle in der Nato gerecht zu werden und die Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts hochzuschrauben. Das hat nichts mit Kriegstreiberei zu tun, sondern damit, politische Glaubwürdigkeit zu gewinnen und den eigenen Verpflichtungen nachzukommen.
Dabei hat die Bundesrepublik an und für sich kein Problem mit Waffen – solange der Abzug anderswo gedrückt wird. Allein 2021 hat das Bundeswirtschaftsministerium den Export von Rüstungsgütern im Wert von mehr als neun Milliarden Euro genehmigt – ein neuer Rekord. Gleichzeitig haben die eigenen Soldaten in Litauen teils nicht einmal genug Unterwäsche.
Wer Frieden will, muss Stärke zeigen. Das ist die Welt, in der wir leben. So bitter es auch sein mag.