Die Spannungen zwischen der Nato und Russland nehmen angesichts des Ukraine-Konfliktes weiter zu. Wie das Militärbündnis am Montag ankündigte, wollen nun eine Reihe von Mitgliedstaaten zusätzliche Kampfflugzeuge und Marineschiffe in die Ostsee und osteuropäische Länder wie Litauen, Rumänien und Bulgarien entsenden. Die Nato erklärte, die Verbündeten würden ihre Truppen zügig in Bereitschaft versetzen und ihre Maßnahmen zur Abschreckung und Verteidigung verstärken, "während Russland seine militärische Aufrüstung in und um die Ukraine fortsetzt".
In den vergangenen Tagen hatten demnach mehrere Mitgliedsstaaten eine Aufstockung ihrer Militärpräsenz im Osten angekündigt: So habe sich Frankreich bereit erklärt, Truppen unter Nato-Kommando nach Rumänien zu schicken; Spanien wolle die Marineeinheiten des Bündnisses stärken. Dänemark entsende eine Fregatte in die Ostsee und vier F-16-Kampfjets nach Litauen. Die Niederlande beteiligten sich zudem ab April an der Überwachung des Nato-Luftraums mit zwei F-35-Kampfjets in Bulgarien.
Ukraine-Krise: Stoltenberg begrüßt verstärkte Militärpräsenz
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg begrüßte die Ankündigungen der Mitgliedstaaten. "Die Nato wird weiterhin alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz und zur Verteidigung aller Bündnispartner ergreifen", betonte der Norweger. Auch der lettische Außenminister Edgars Rinkevics hieß den Schritt Willkommen: Es sei "an der Zeit, die Präsenz der alliierten Streitkräfte an der Ostflanke des Bündnisses zu verstärken", schrieb er auf Twitter.
Die Europäische Union reagierte hingegen zurückhaltend: Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell betonte am Rande eines Treffens der Außenminister in Brüssel, solange die diplomatischen Gespräche mit Moskau andauerten, gebe es für die EU keinen Grund "zur Dramatisierung". Die Europäer bereiteten für den Fall eines Angriffs auf die Ukraine aber weiter ein "starkes Sanktionspaket" vor.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) machte in Brüssel deutlich, dass sie einen Abzug des deutschen Botschaftspersonals derzeit nicht für sinnvoll halte: "Wir dürfen nicht zu einer weiteren Verunsicherung der Lage beitragen", warnte Baerbock. Die Sicherheitslage für deutsche Staatsangehörige und Mitarbeitende des Auswärtigen Amts werde aber laufend überprüft. Familienangehörigen von deutschen Diplomaten können das Land aber freiwillig verlassen, wie das Auswärtige Amt in Berlin mitteilte.
Medienbericht: Biden erwägt Entsendung von Truppen
Im Gegensatz zur Bundesregierung haben die USA und Großbritannien bereits beschlossen einen Teil des Botschaftspersonals aus der Ukraine abziehen. Das US-Außenministerium ordnete an, die Familien der US-Diplomaten in der ukrainischen Hauptstadt Kiew sollten das Land verlassen. Auch örtliche Mitarbeiter der US-Botschaft könnten auf freiwilliger Basis das Land verlassen. Zudem rieten die USA ihren Bürgern von Reisen nach Russland dringend ab. Das britische Außenministerium teilte mit, einige Mitarbeiter der Botschaft und ihre Angehörigen zögen sich "als Reaktion auf die wachsende Bedrohung durch Russland aus Kiew zurück".
Einem Bericht der "New York Times" zufolge erwägt US-Präsident Joe Biden die Entsendung von mehreren Tausend US-Soldaten sowie von Kriegsschiffen und Flugzeugen zu Nato-Verbündeten im Baltikum und in Osteuropa. Zu den Optionen gehöre die Entsendung von 1000 bis 5000 Soldaten in osteuropäische Länder, mit der Möglichkeit, diese Zahl zu verzehnfachen, wenn sich die Lage verschlechtere, hieß es in dem Bericht. Eine Entscheidung werde noch in dieser Woche erwartet.
Angesichts eines massiven russischen Truppenaufmarsches in der Nähe der Ukraine wird im Westen befürchtet, dass der Kreml einen Einmarsch in das Nachbarland planen könnte. Für möglich wird allerdings auch gehalten, dass nur Ängste geschürt werden sollen, um die Nato-Staaten zu Zugeständnissen bei Forderungen nach neuen Sicherheitsgarantien zu bewegen. Erklärtes Ziel Russlands ist es etwa, dass die Nato auf eine weitere Osterweiterung verzichtet und ihre Streitkräfte aus östlichen Bündnisstaaten abzieht. Die Nato, aber auch die EU lehnen diese Forderungen als inakzeptabel ab.