Der Militärexperte Carlo Masala rechnet nicht damit, dass die neuen Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine in Istanbul zu einem schnellen Ende des Krieges führen. Masala sagte am Dienstag im stern-Podcast "Ukraine – die Lage", es werde möglicherweise Bewegung in technischen Fragen geben. Er erwarte aber keinen raschen Durchbruch bei den Gesprächen.
Hierzu sei ein Treffen der beiden Präsidenten erforderlich, das sich aber nicht abzeichne. "Auf der hohen politischen Ebene, die ja letztlich entscheidend ist, sehen wir noch keine Fortschritte", sagte der Politikprofessor von der Bundeswehruniversität in München.
Militärexperte Masala warnt vor "Ausverkauf ukrainischer Interessen"
Nach Masalas Einschätzung wächst der Druck auf die ukrainische Führung. In einem langen Abnutzungs- und Vernichtungskrieg könne sie nichts gewinnen. Trotz einzelner Geländegewinne habe die Ukraine aber nicht die Mittel, um die russischen Truppen aus dem Land zu drängen. "Die ukrainische Armee ist momentan nicht zu umfassenden Gegenoffensiven in der Lage", sagte er. Möglicherweise werde sich die Einschätzung der Ukraine, welche Zugeständnisse vertretbar sind, angesichts der Lage ändern.
Masala warnte davor, dass eine völlige Abtrennung der Separatistengebiete und der Krim das Land dauerhaft spalten würde. Dies wäre "ein Ausverkauf ukrainischer Interessen".

Dr. Carlo Masala ist Professor für Internationale Politik an der Bundeswehruniversität München.
Er verwies darauf, dass die russische Führung ihrer Bevölkerung den Zugang zu westlichen Medien, Social-Media-Plattformen und anderen Informationsquellen abschneiden wolle. "Die russische Föderation ist natürlich bemüht, der Bevölkerung nur die eigene Sichtweise zu vermitteln", sagte er. Eine Abkopplung vom Internet käme einer "Nordkoreanisierung" gleich.
Zur Debatte um die Anschaffung eines Raketenabwehrschirmes in Deutschland sagte Masala, auch das am weitesten entwickelte System Arrow 3 biete keinen vollständigen Schutz. "Diese Raketenabwehrsysteme sind ja nicht darauf ausgerichtet, den massiven Beschuss mit Mittelstreckenraketen abzuwehren", sagte er. "Die russische Föderation, die ja im Besitz vieler Mittelstreckenraketen ist, hätte immer die Möglichkeit, dieses System zu überwinden."