Nach dem Beginn der russischen Offensive im Osten der Ukraine erwartet der Militärexperte Carlo Masala einen langen Abnutzungskrieg. Masala sagte am Dienstag im stern-Podcast "Ukraine – die Lage", der Konflikt gehe in einen ganz neuen Abschnitt, er erwarte "eine große, schwere Offensive". Schnelle Erfolge werde nach seiner Einschätzung keine Seite erzielen. Der Abnutzungskrieg "könnte möglicherweise sehr, sehr lange dauern".
"Verletzung des Völkerrechts gehört zu Russlands Strategie"
Politikprofessor der Bundeswehruniversität München warf der russischen Seite vor, immer offener gegen internationales Recht zu verstoßen. "Die systematische Verletzung des humanitären Völkerrechts ist Teil der russischen Strategie", sagte er. Präsident Wladimir Putin versuche, seine Ziele mit maximaler Brutalität zu erreichen.

Dr. Carlo Masala ist Professor für Internationale Politik an der Bundeswehruniversität München.
Masala zeigte Verständnis dafür, dass die Kontakte des Westens in den Kreml immer spärlicher werden. Er verwies darauf, dass Russland offenbar kein Interesse an einer Verhandlungslösung habe, die auch für seine Gegner akzeptabel sei. "Warum soll man den Kontakt zu jemanden behalten, der nicht bereit ist, einen Millimeter von seinen Zielen abzurücken", sagte Masala.
Deutschland sieht er mit seiner zögernden Haltung zur Lieferung schwerer Waffen zunehmend isoliert: "Fast alle liefern, und Deutschland steht relativ allein da." Er erinnerte daran, dass auch bei früheren Entscheidungen, die deutsche Regierung erst gezögert habe, um dann aber dem Kurs der Partner zu folgen.
Große Sorge bereitet ihm dagegen ein möglicher Sieg der Rechtspopulistin Marine Le Pen bei der bevorstehenden zweiten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen am Sonntag. "Das hätte schon gewaltige Auswirkungen auf die gesamte Politik mit Blick auf die Ukraine", warnte er. Le Pen wolle die Beziehungen zu Russland intensivieren und spreche gar von einer Allianz, was den gesamten bisherigen Kurs von EU und Nato infrage stelle. Masala betonte, dass der Westen wenig Alternativen zur bisherigen Politik der Sanktionen und Waffenlieferungen habe. "Viel mehr Optionen hat man nicht, wenn man die Ukraine nicht betrügen will", sagte er.