Die Ukraine wird nach Einschätzung des Sicherheitsexperten Christian Mölling weiter versuchen, die russische Hauptstadt direkt zu treffen. Mölling sagte am Dienstag im stern-Podcast "Ukraine – die Lage", der Beschuss der Metropole mit Drohnen habe im Moment "vor allem eine symbolische Wirkung". Er gehe aber davon aus, dass die ukrainische Führung sich "in ihren Planungen vorstellen kann, auch Drohnenschwärme nach Moskau zu schicken."
Damit könnten gleich zwei Ziele erreicht werden, erläuterte der Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Zunächst gehe es um die "Verstärkung des psychologischen Effekts, dass Putin Moskau nicht schützen kann". Hinzu käme, dass es auch bei den Kämpfen im eigenen Land Vorteile bringen könne, wenn die Ukraine Moskau bedrohe: "Das andere wäre, dass man im Effekt wahrscheinlich die russischen Streitkräfte zwingen würde, Luftverteidigung zurück nach Moskau zu bringen und von der Front abzuziehen." Russland hatte am Montag die Abwehr mehrerer Drohnen über Moskau gemeldet. Die USA unterstützen derartige Angriffe der Ukraine ausdrücklich nicht.
Zu den russischen Attacken auf ukrainische Binnenhäfen in unmittelbarer Nähe des Nato-Landes Rumänien sagte Mölling, er glaube nicht, dass Russland ein Interesse an einem Kriegseintritt der Nato habe. Nach seiner Einschätzung könnte Russland darauf gesetzt haben, dass die Nato auch dann nicht militärisch eingreifen würde, wenn es einen Kollateralschaden auf rumänischem Gebiet gegeben hätte – was auch richtig sei.
Mölling: Ukraines Gegenoffensive trifft auf massiven Widerstand
Skeptisch äußerte sich Mölling zu den Berichten, dass Russland seine Produktion an Munition und Waffen deutlich gesteigert habe. "Ich bin sehr zurückhaltend, die Zahlen zu glauben", sagte er. Man müsse zudem vor allem beobachten, was an der Front tatsächlich ankomme. Das sei entscheidend. Schon in der Vergangenheit habe sich die Ukraine auf die Zerstörung der russischen Logistik konzentriert. "Was nützt die ganze Munition, wenn sie an der Front nicht ankommt", sagte Mölling.
Er räumte aber ein, dass die ukrainische Gegenoffensive auf massiven Widerstand treffe. Ohne Luftunterstützung müssten die ukrainischen Streitkräfte gegen einen tief gestaffelten Gegner vorgehen. Dies sei sehr schwierig. "Die Ukrainer suchen weiter nach der Möglichkeit, irgendwo eine Bresche zu schlagen", sagt er. Die Erfolgsaussichten seien aber ungewiss. "Es kann sein, dass sie das nicht schaffen."