Podcast "Ukraine – die Lage" Militärexperte Masala: Putin inszeniert sich als "Verteidiger der antikolonialen Welt"

Russlands Präsident Wladimir Putin auf der Plenarsitzung des 19. jährlichen Treffens des Valdai International Discussion Club
Russlands Präsident Wladimir Putin auf der Plenarsitzung des 19. jährlichen Treffens des Valdai International Discussion Club
© Mikhail Metzel / Pool Sputnik Kremlin / AP / DPA
Russland versucht nach Einschätzung des Militärexperten Carlo Masala immer stärker, den Ukraine-Krieg als Teil einer globalen Auseinandersetzung mit dem Westen darzustellen. Präsident Putin inszeniere sich Masala zufolge als "Vorreiter einer antikolonialen Bewegung".

Die russische Führung versucht nach Einschätzung des Militärexperten Carlo Masala immer stärker, den Krieg in der Ukraine als Teil einer globalen Auseinandersetzung mit dem Westen darzustellen. Masala sagt im stern-Podcast "Ukraine – die Lage", Präsident Wladimir Putin inszeniere sich als "Vorreiter einer antikolonialen Bewegung". "Es ist ein Konflikt auf zwei Ebenen", erläutert der Politikprofessor der Bundeswehruniversität München. Auf der einen Seite gehe es um die Ukraine, aber der Konflikt habe "das Potenzial zum Höhe- und Wendepunkt" eines größeren Ringens zu werden – nämlich zwischen den USA und dem Westen auf der einen und China und Russland auf der anderen Seite. "Das weiterführende Ziel ist natürlich die Veränderung der Struktur des internationalen Systems", sagt Masala.

Ukraine-Krieg: Fehler des Westens rächen sich

Mit seinen gerade erneuerten Vorwürfen gegen das angebliche Dominanzstreben des  Westens ziele Putin auf die Staaten des Südens, deren Unterstützung er gewinnen wolle. Dabei helfe ihm, dass der Westen Fehler gemacht habe. "Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten sehr stark mit Doppelstandards gearbeitet", sagt Masala. Als Beispiel führt er den Irak-Krieg von 2003 an. Der Versuch "liberale Vorstellungen weltweit zu verbreiten, auch mit Zwang zu verbreiten, hat dazu geführt, dass wir es mit Gegenreaktionen zu tun haben". Viele Staaten würden abwarten, wie die Auseinandersetzung weitergeht, statt sich auf eine Seite zu stellen.

Masala macht erneut deutlich, dass er trotz aller Gefahren nicht damit rechnet, dass der Ukraine-Krieg völlig außer Kontrolle gerät. "Es gibt Ansätze der Kommunikation", sagt er und weist auf die Gespräche der Verteidigungsminister Russlands und der USA hin. Sie seien darauf ausgerichtet, bei möglichen Fehleinschätzungen "nicht sofort in eine komplette Eskalation hineinzugeraten".

US-Satelliten als mögliche Kriegsziele

Masala sieht allerdings durchaus das Risiko, dass die USA und Russland einer direkten Konfrontation noch näher kommen als bisher. So könnten amerikanische Satelliten angegriffen werden, die den Ukrainern Daten liefern. "Das sind aus russischer Logik heraus legitime Ziele", sagt er zu entsprechenden Drohungen der Moskauer Führung. "Sie haben durchaus eine Bedeutung im Sinne von Aufklärung." Ins Visier der Russen könne auch das Starlink-System von US-Milliardär Elon Musk geraten, das zur Internetversorgung in der Ukraine genutzt wird. "Dass das Starlink-System Ziel von Angriffen sein wird, halte ich durchaus für möglich", sagt Masala. Er würde aber erwarten, dass Starlink nicht physisch angegriffen werde, sondern die Russen versuchten, es durch einen Hackerangriff auszuschalten.

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