Admiral Bollow, sie führen seit Ende März 2007 den Marineverband der Vereinten Nationen im Rahmen von Unifil vor der Küste des Libanons. Ende August läuft das Mandat aus. Welche Bilanz ziehen Sie?
Wir senden allein schon durch unsere Präsenz ein großes politisches Signal aus. Seitdem wir vor der libanesischen Küste operieren, haben die Israelis ihre Seeblockade nach dem Juli-Krieg aufgehoben und sehen auch keine Veranlassung, diese wieder zu etablieren. Im Gegenteil. Sie haben mir versichert, dass man die Operation voll akzeptiert hat, den Primärauftrag als erfüllt betrachtet. Und das wiederum führt dazu, dass im Libanon der Handel über See im Vergleich zum letzten Jahr, als im Juli der Krieg ausgebrochen ist, erheblich gestiegen ist.
Was hat die Unifil mit dem Handel zu tun?
Allgemein gilt: durch Handel entstehen Einnahmen und durch Einnahmen eine qualitative Verbesserung des Lebensstandards. Folglich hat unser Beitrag eine unmittelbare Wirkung auf Stabilität und Sicherheit des Libanons - unabhängig von unserem gegenwärtigen Primärauftrag, Waffenschmuggel über See in den Libanon zu verhindern. Bis heute haben wir etwa 8300 Schiffe abgefragt und 35 inspizieren lassen. Diese Inspektionen haben keinerlei Informationen geliefert, dass die Schiffe in Waffenschmuggel involviert waren. Das heißt im Umkehrschluss, dass kein Waffenschmuggel über See stattgefunden hat.
War das aber nicht schon vorn vorneherein klar? Die Waffen für die Hisbollah kommen eher von Syrien über den Landweg.
Das ist eine Frage der Spekulation, wo denn Waffen herkommen. Über See jedenfalls nicht.
Die Regierung will das Mandat der deutschen Marine verlängern. Wie kam es zu diesem Entschluss?
Der noch amtierende Ministerpräsident des Libanons, Fouad Siniora, hat Ende Juni dieses Jahres an die UN einen Brief geschrieben, in dem er darum bittet, dass Unifil mit den Komponenten See und Land ohne Veränderungen um ein weiteres Jahr verlängert wird. Ich gehe davon aus, dass das Mandat verlängert wird. Und im Rahmen dieser politischen Diskussion ist die Bundesregierung bereits gefragt worden, die Führungsfunktion noch ein weiteres halbes Jahr auszuüben. Vorbehaltlich der Zustimmung des Bundestages hat man sich dazu auch bereit erklärt. Also können wir davon ausgehen, dass Deutschland noch bis Ende Februar 2008 den Verband führt.
Und dann?
Es haben sich beispielsweise die Niederländer bereit erklärt, danach die Führung zu übernehmen. Wer es Ende Februar konkret wird, ist noch nicht klar. Aber es wird eine andere Nation sein.
Unifil besteht im August kommenden Jahres 30 Jahre. Ein Ende ist angesichts der innenpolitischen Lage im Süden des Libanons nicht abzusehen. Wie lange muss Unifil noch dort bleiben?
Man kann die Ursprungsbedingungen von Unifil mit denen von heute nicht vergleichen. Wenn wir im letzten Jahr 2000 Mann im Süden des Libanons stehen hatten, haben wir jetzt dort 13.000 Mann. Die Präsenz dieser Truppe zusammen mit 12.000 libanesischen Kräften hat im Süden schon dazu geführt, dass sich dort eine gewisse relative Ruhe ausgebreitet hat.
Ist das dann nicht eine trügerische Ruhe? Beobachter sagen, dass die Hisbollah nach wie vor sehr intensiv von Syrien unterstützt wird und im Süden so stark ist wie noch nie zuvor.
Der Libanon ist mit Sicherheit noch nicht stabil. Aber ich denke, dass man dort von einer relativen Ruhe sprechen kann, wo es nicht zu Auseinandersetzungen mit Waffengewalt kommt. Das ist schon ein gewisser Erfolg. Wir als Militärs können für den politischen Lösungsprozess jedenfalls nur Zeit zur Verfügung stellen.
Wie beurteilen Ihre libanesischen Kameraden Unifil?
Also ich möchte glauben, dass sie das genauso sehen. Denn die Präsenz der Blauhelme hat mit Sicherheit auch aus deren Sicht eine stabilisierende Wirkung. Nichtsdestotrotz müsste sich zum Beispiel die libanesische Armee dringend als einzige Ordnungsmacht im Land etablieren. Davon ist sie allerdings noch weit entfernt.
Woran liegt das?
Den Prozess, der dafür notwendig wäre, scheut man zu gehen. Es stellt sich ja schon die Frage, wer ist realistisch in der Lage, die Hisbollah zu entwaffnen. Und was passiert, wenn man es versuchen würde?
Also die Scheu vor einem neuen libanesischen Bürgerkrieg?
Ich möchte nicht spekulieren. Aber es hat Auswirkungen und deswegen wird es nicht mit Nachdruck vollzogen.
Zu einem anderen Thema. Laut einer aktuellen ARD-Umfrage sagen zwei Drittel der Deutschen, sie wollen den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Wie beurteilen Sie derartige Umfrageergebnisse?
Ich bin äußerst skeptisch, wenn man mit Umfragen kommt. Die Aussagekraft dieser Umfragen hängt auch immer davon ab, welche Frage man gestellt hat. Und viele Menschen haben eine Meinung, obwohl sie nicht alle Hintergründe nicht kennen. Das ist gefährlich.
Folglich?
Es ist wichtig, wie das Volk unterrichtet wird, wie es mobilisiert wird, wie die Menschen in das politische Verfahren eingebunden wird. Und wenn da was falsch oder gar nicht gemacht wird, dann muss man sich nicht wundern, dass die Ergebnisse entsprechend so sind. Wenn in Afghanistan Taliban Anschläge verüben, weil sie von Süden nach Norden operieren, und leider deutsche Soldaten davon betroffen sind, dann habe ich nur ganz wenig Verständnis dafür, dass damit automatisch die Frage verbunden wird, was machen wir eigentlich dort? Die Frage nach dem Sinn eines Einsatzes stellt sich früher. Die stellt sich bei der ersten Erteilung des Mandats und jedes Mal bei der Verlängerung. Nur dann stehen wir bitte auch dahinter und fangen nicht permanent an zu hinterfragen. Das ist eine deutsche Eigenart, die falsch ist.
Wie sollte in Deutschland über Auslandseinsätze diskutiert werden?
Mit geht es darum, eine Diskussion in der Öffentlichkeit auch im Vorgriff auf die Verlängerung des Unifil-Mandats zu führen. Dass man im Rahmen dieser Verlängerung in aller Offenheit über das Mandat, das Für und Wider, über die Gründe einer deutschen Beteiligung spricht und das alles auch dem deutschen Volk in ausreichender Weise rüberbringt. Und dann wird das Mandat verlängert und dann stehen wir auch dahinter!
Welches Interesse hatte denn Deutschland, sich an Unifil zu beteiligen?
Wir müssen aufhören, Deutsche Interessen nur auf das Bundesgebiet zu beschränken. Deutschland hat Interessen an der Region, allein schon aus historischen Gründen. Und das Engagement bei UNFIL hatte klare Gründe. Es kam darauf an, die Blockade der Israelis aufzuheben und gleichzeitig nicht mit Fußtruppe in den südlichen Teil des Libanons zu wollen. Was konnten wir dazu beitragen? Welche Alternativen hatten wir? Da war schnell klar, dass die Marine übrig bleibt. Und die Marine hat unter meinem Vorgänger Admiral Krause eine Operation aus dem Boden gestampft, die sucht ihresgleichen. Die läuft sehr harmonisch.