Der blutige Konflikt zwischen Muslimen und Han-Chinesen in Zentralchina hat nach Überzeugung eines örtlichen Imams möglicherweise auch eine internationale Dimension. "Die Stimmung weltweit gegen Muslime hat die Han-Chinesen infiziert", sagte der Geistliche der Hui-Minderheit im Kreis Zhongmou mit Blick auf den weltweiten Kampf gegen den Terrorismus. "Die Han glauben, dass Muslime leicht Streit anfangen und gewalttätig werden." Sobald es jetzt eine Auseinandersetzung gibt, so findet er, werden die Han-Chinesen selbst handgreiflich, weil sie eine Schlägerei erwarten.
Bei Problemen fangen die Hui eine Schlägerei an
Ein Mittelschullehrer und Han-Chinese wiederum sagte: "Immer wenn es ein kleines Problem gibt, fangen die Hui eine Schlägerei an." Die Behörden wüssten nicht, wie sie damit umgehen sollten. Er warf ihnen Flickschusterei vor. Es sei der Eindruck entstanden, dass Gewalt geduldet werde, kritisierte der Lehrer. So habe es "immer mehr" Zwischenfälle gegeben. Das Ergebnis: "Einige Han-Chinesen hassen die Hui richtig. Da braucht es nur einen kleinen Funken."
Beide Schilderungen zeigen, wie unversöhnlich sich die zwei Volksgruppen gegenüberstehen. Dabei leben Muslime und Han-Chinesen seit der Tang-Dynastie im 7. Jahrhundert, als der Islam erstmals nach China kam, in dieser Region zusammen, ohne dass es bisher einen solchen Konflikt gegeben hat, heißt es. Auch zählt die Hui-Minderheit - mit neun Millionen die größte muslimische Bevölkerungsgruppe - eigentlich ethnisch und sprachlich zu den Han-Chinesen.
Doch Chinas Regierung selbst hat Muslime im eigenen Land als Terroristen identifiziert - zwar nicht aus der Hui-Minderheit, aber unter den Uiguren in Nordwestchina. Diese zweitgrößte muslimische Bevölkerungsgruppe ist anders als die Hui ethnisch ein Turkvolk mit eigener Geschichte, Sprache und Tradition. Seit die Volksrepublik den Nordwesten Chinas als "neues Territorium" eingegliedert hat, regt sich in der einst als Ostturkestan bekannten Region eine Unabhängigkeitsbewegung gegen die fremden kommunistischen Herrscher.
Doch ethnische Konflikte wie jetzt in Henan sind in China keineswegs neu. Mit den wachsenden sozialen Ungleichgewichten in der rasant aufstrebenden Wirtschaftsnation verschärfen sich diese Spannungen noch. Viele Hui leben in armen Regionen wie Ningxia, Gansu und Qinghai im rückständigen Westen. Oft fühlen sich Muslime von Han-Chinesen, die an den Schaltstellen sitzen, ungerecht behandelt. Manche beklagen, dass die 55 Minderheiten des Landes nur als folkloristisches Schmuckwerk der Kommunistischen Partei und der Han-Mehrheit dienen, die 90 Prozent des Milliardenvolkes stellt.
Probleme bei einigen, wenigen Chinesen
Auch in der Unruheregion von Henan sind Klagen über ungerechte Behandlung zu hören. Der Imam kritisiert Vorurteile der Behörden, wenn es um das Verhältnis zwischen Hui- und Han-Chinesen gehe. "In den vergangenen Jahren ist die Situation immer schlechter geworden." Er räumte offen ein, dass es auch Probleme mit einigen Muslimen in ihrer Gemeinschaft gebe, die gegen Grundsätze des Islams verstießen. Doch sei es "nur wenige". Auf der anderen Seite hätten Han-Chinesen schon oft die religiösen Gefühle der Muslime verletzt. Die Spannungen hätten stark zugenommen. "Ein Zusammenstoß wie dieser entwickelt sich nicht in einem Tag. Das hat sich aufgestaut und entladen."