Selten zuvor ist ein neuer US-Verteidigungsminister von der Opposition mit derart offenen Armen empfangen worden wie Robert Gates, der am Montag sein Amt antritt. Und selten zuvor wohl hat das Militär an einen Wechsel an der Ministeriumsspitze so viele Hoffnungen geknüpft wie an diesen. Klingt das schmeichelhaft für den "Neuen" im Pentagon, so sind sich Militärexperten darin einig: Die Vorschusslorbeeren haben weniger mit der Qualifikation des einstigen CIA-Direktors zu tun als mit der Erleichterung darüber, den "Alten" los zu sein.
Mitarbeit in der Baker-Kommission lässt hoffen
"Gates' Hauptkapital ist, dass er nicht Rumsfeld heißt", brachte es ein Rundfunkkommentator auf den Punkt, der sich angesichts der Jubelreden von Präsident George W. Bush und Vize Richard Cheney bei der offiziellen Verabschiedung Rumsfelds am Freitag fragte, "auf welchem Planeten diese Leute eigentlich in den letzten Jahren gelebt haben". Tatsächlich hat "Rummy" seinem 63-jährigen Nachfolger ein schweres Erbe hinterlassen, einen Berg an Reparaturarbeiten, für die der als Pragmatiker geltende Gates sogar noch weniger als die zwei Jahre Zeit bis zur nächsten Präsidentschaftswahl haben wird. So dürfte es etwa schwer werden, das von Rumsfeld heruntergewirtschaftete Verhältnis zum Kongress deutlich zu verbessern, wenn erst einmal der Wahlkampf voll entbrannt ist.
Hat das Militär seine eigene Wunschliste an Gates, so erhofft sich die Opposition von ihm vor allem eines: einen schärferen Blick für die Realitäten im Irak und Mut zur Einflussnahme auf Bush bei der Umsetzung von Kursänderungen. Gates' Mitarbeit in der Baker-Kommission zur Überprüfung der Irak-Politik bis zu seiner Nominierung für das Pentagon-Amt und seine klare Äußerung im Bestätigungsverfahren, dass der Krieg mit dem bisherigen Kurs nicht zu gewinnen sei, wird auch von Skeptikern als hoffnungsvolles Zeichen bewertet. Zudem gilt die Tatsache, dass er in den vergangenen 13 Jahren nichts mit der Washingtoner Politik zu tun hatte und vom bedrängten Bush jetzt zur Hilfe geholt wurde, als Pluspunkt: Das könnte ihn freier und unabhängiger bei der Formulierung von Ideen machen, hofft man bei den Demokraten.
In vielerlei Hinsicht das Gegenteil von Rumsfeld
Viele Experten warnen jedoch vor zu hohen Erwartungen. Bush sei - außer Rumsfeld - im Kern von denselben Beratern umgeben wie bisher, sagt zum Beispiel Verteidigungsexperte Stephen Biddle vom Forschungsinstitut Council of Foreign Affairs. Er sieht in Gates' Berufung zunächst nichts anderes als ein Symbol für die Bereitschaft von Bush, über Kursänderungen nachzudenken. Gebe es dann aber keine tatsächlichen deutlichen Korrekturen, "dann hat sich Gates gerade einen Fahrschein für die Titanic gekauft. Er kann das Deck ein bisschen wischen, aber wir alle wissen, was mit dem Schiff passiert ist", zitiert ihn die "USA Today". Auch Douglas Feith, früher enger Berater von Rumsfeld, weist darauf hin, "dass Gates in eine Regierung eintritt, die eine Menge bereits entwickelter Ideen hat".
Insgesamt glauben die meisten Experten, dass die spürbarsten Veränderungen in einem neuen Umgangsstil liegen werden und "weniger in der Substanz", wie US-Medien zum Beispiel den früheren Pentagonbeamten Michael Rubin zitieren. Tatsächlich ist Gates in seinem Auftreten in vielerlei Hinsicht das Gegenteil von Rumsfeld. Zivile Mitarbeiter und Offiziere klagten gleichermaßen über Rumsfelds rüden Ton und lasteten ihm Selbstherrlichkeit bei Entscheidungen an. Die Weigerung, sich Rat einzuholen oder auch nur anzuhören, brachte das Verhältnis zur militärischen Führung auf einen Tiefpunkt. Das, so erwartet man, wird sich mit dem nüchtern und ausgeglichen wirkenden Gates ändern, der einen höflichen Umgangston pflegt, "und ein Zuhörer ist, aber trotzdem genau weiß, was er will", wie es der frühere CIA-Direktor John Deutch beschreibt.
Mammutberg an Aufgaben
Neben dem Irak sei die Reparatur des Verhältnisses zwischen der zivilen und militärischen Führung die wichtigste Aufgabe des Neuen, meint auch Frederick Kagan vom American Enterprise Institute. Insbesondere beim Heer sieht man das genauso. Hier haben die Kriege im Irak und in Afghanistan die Personaldecke so stark strapaziert, dass die Moral stark gelitten hat und Gates schon vor seinem Amtsantritt zu einer deutlichen Aufstockung der Soldatenzahl und zu einer Verbesserung der Ausrüstung aufgefordert wurde. Ein Mammutberg an Aufgaben, schreibt der "Boston Globe" und weist zugleich auf eine Änderung hin, die sicher sei: Nach den unterhaltsamen "Rummy-Shows" stehen nun nüchterne Pressekonferenzen ins Haus.