Eigentlich ist es wie immer. Sie spielen den Titelsong aus dem Film "Rocky" und werfen den Scheinwerfer auf ihn herab und die Zuschauer im Saal rufen "Mac is back" und halten Plakate hoch mit dem Aufdruck "Kriegsheld McCain". Aber diesmal ist etwas anders. Diesmal strahlt der Mann mit dem dünnen weißen Haar, der am späten Dienstagabend die Bühne des Hilton-Hotels von Miami betritt. Er blickt nicht so skeptisch wie noch nach seinem Wahlsieg in New Hampshire oder so erleichtert wie nach seinem Erfolg in South Carolina. Diesmal strahlt er. Diesmal glaubt er zu wissen: Der Sieg von Florida ist eine Vorentscheidung, die Nominierung so nah. "Heute Nacht, meine Freunde, feiern wir", sagt der Senator aus Arizona. "Morgen geht es zurück an die Arbeit. Es ist noch ein weiter Weg, aber wir sind schon sehr nah am Ziel."
John McCain steht vor zwei großen US-Flaggen, daneben, an der Wand hängen handgemalte Schilder: "McCain is a hero", "Commander in Chief", "Mac is back". Er hat einen womöglich entscheidenden Sieg über seinen härtesten Konkurrenten Mitt Romney eingefahren und hält nun die Rede eines generösen Parteiführers. Er erinnert an seine Zeit im Vietnamkrieg und an seine ersten politischen Schritte unter Ronald Reagan und bedankt sich artig bei allen Konkurrenten, bei Mike Huckabee, der soviel Humor habe und bei Rudy Giuliani, "einem einzigartigen amerikanischen Anführer", und auch bei Mitt Romney, dem er schon in einer Woche den endgültigen Knock-Out versetzen kann. "Du und deine Unterstützer haben hart gekämpft", sagt McCain, "und der kleine Abstand, der uns trennt, sollte für mich kein Anlass sein, um anzugeben - und für dich keiner, um zu verzweifeln."
Der Kriegsveteran gegen den Multimillionär
Aus dem Vierkampf der Republikaner ist nach McCains knappem Sieg in Florida nun ein Zweikampf geworden, und die beiden Überlebenden könnten unterschiedlicher nicht sein. Hier der alte, aber noch agile Kriegsveteran, geliebt von den Medien, verehrt von den Kollegen, immer geradeaus, eine ehrliche Haut. Und dort der wendige, umfragengesteuerte Multimillionär und Mormone, geliebt von keinem, aber auserkoren von vielen konservativen Kommentatoren als Retter der Partei. Mögen tun sich die beiden nicht.
In den vergangenen Tagen hatten sich die beiden Kontrahenten eine hitzige Schlacht geliefert. McCain nannte Romney den "liberalen Gouverneur von Massachusetts", ein Schimpfwort erster Klasse in republikanischen Kreisen. Romney schimpfte McCain einen Washington-Insider mit viel zu liberalen Positionen. McCain bezeichnete Romney als Wendehals, der zu jedem wichtigen Thema mindestens zwei Positionen habe und Romney McCain als einen Lügner. Mehr als eine Million E-Mails und Anrufe gingen raus, in denen McCain beschuldigt wurde, ein Alliierter der Demokraten zu sein - Romney wurde unterstellt, Beziehungen zu Fidel Castro aufbauen zu wollen.
Je schlimmer die Wirtschaftslage, desto besser für Romney
McCain, der Kriegsveteran, präsentierte sich als Leader. Romney, der ehemalige Investor, als Manager. Es gewann: der Leader. Das ist das Dilemma der Republikaner. Sie haben keinen, der beides ist, ein Leader und Manager - und am besten auch noch ein evangelikaler Christ und Schauspieler oder Volksheld.
John McCain hat bewiesen, dass auch ein moderater Kandidat wie er in einem konservativen Staat bestehen kann. Mitt Romney hat bewiesen, dass er trotz McCains zahlreicher namhafter Unterstützer aus dem Polit-Establishment mithalten kann. Zugute kam McCain in Florida vor allem die Unterstützung von Rentnern und Latinos. Romney sicherte sich den Rückhalt von Wählern, die sich um die angeschlagene Wirtschaft sorgen. Und genau daraus schöpft er jetzt Hoffnung: Das Thema Rezession wird auch die kommenden Tage vor dem "Super Tuesday" noch bestimmen. Je schlimmer die Wirtschaftslage, desto besser für Romney.
Das Alter als einen letzten Angriff
Im Endspurt um die Nominierung hat Romney einen anderen unermesslichen Vorteil: Geld. Der Multimillionär aus Massachusetts hat bisher fast zehn Mal mehr Geld in seinen Wahlkampf gesteckt als McCain. Seine ganze Kampagne wäre ohne die Millionen aus seinem persönlichen Vermögen längst zusammengebrochen. Und schon ab Donnerstag wird auch die konservative Organisation "Citizens United" landesweit Fernsehspots schalten, die John McCain mit Hillary Clinton gleichsetzen, dem größten Hassobjekt aller Republikaner, gleich nach ihrem Ehemann Bill Clinton.
In seiner Rede am Abend in St. Petersburg deutete Romney an, wo er McCain überall packen will: Bei moralischen Werten, in Wirtschaftsfragen, er wird McCains Jähzorn geißeln und seine Freundschaften mit Demokraten und auch sein hohes Alter - 71. Ein letzter Angriff. Ob er damit Erfolg haben wird, ist zweifelhaft. Auf sein Alter angesprochen, erzählt McCain gern eine Geschichte, so wie am Samstag in North Fort Myers: "All jenen, die meine 95jährige Mutter noch nicht getroffen haben, rate ich, das zu tun. Letztes Jahr wollte sie durch Frankreich fahren, also flog sie nach Paris, um ein Auto zu mieten. Man sagte ihr, sie sei zu alt. Also hat sie eins gekauft."
Giuliani tritt ab
McCain wird nun alles dafür geben, am 5. Februar, dem "Super Tuesday" in den Staaten New York, New Jersey, Connecticut und Kalifornien zu siegen. Romney ist noch unentschlossen, wo er in den verbleibenden sieben Tagen seinen Schwerpunkt setzen soll. Er wird es wohl ebenso in den Staaten des Nordostens versuchen wie auch in Kalifornien und selbst im Süden, in Alabama, Georgia und Missouri, wo auch Mike Huckabee, der Sieger von Iowa, glaubt noch einige Siege einfahren zu können.
Rudy Giuliani, lange Zeit Favorit auf die Nominierung der Republikaner, ist dann schon nicht mehr dabei. Er wird heute in Kalifornien das Ende seiner miserablen Kandidatur verkünden - und gleichzeitig seine Unterstützung für seinen Freund McCain. Giuliani hofft, McCain damit zu Siegen in seinem Hinterland zu verhelfen, in New York und New Jersey. Und gleichzeitig sein Gesicht zu wahren.