US-Wahl Feiern mit Obama

  • von Sonja Hartwig
Obama allerorten: Demokratische Volunteers nehmen die Politik mit in die eigenen vier Wände. Sie geben Yogastunden oder veranstalten Diners. Heather Berman feiert sogar ihren Geburtstag für Barack Obama - stern.de war dabei.

Sie wollte keine Geschenke, nur einen Wunsch sollten ihr die Geburtstagsgäste erfüllen: "Bringt mir nichts mit - aber ruft mindestens drei Wähler an!", schrieb Heather Berman in ihrer Einladung, die sie in ein Forum von Obama-Fans stellte: Was? Geburtstagsparty. Motto: Let's get Obama elected. Wann? Ab 15 Uhr. Wo? In Heathers Apartment, Midtown West, New York. Mit ein paar Klicks waren nicht nur ihre Freunde eingeladen, sondern alle Obama-Fans dieser Welt. "Als ich meinen Eintrag selbst noch einmal las, dachte ich: Gut, dass meine Mutter das nicht weiß, meine Güte. Meine Adresse für jedermann im Internet. Sie bekäme einen Herzinfarkt."

Doch Heather ist überzeugt, dass es die richtige Entscheidung war. "Obama wird im Großen etwas verändern", sagt sie an ihrem 44. Geburtstag. "Das Leben ist so kurz: Gerade jetzt muss man auch mal verrückte Sachen machen." Sie steht in der Küche, schnippelt Möhren und Lauch, auf dem Herd kochen Penne. Dazu gibt es Bohnensalat, Risotto und Wein. Es ist das erste Mal seit Jahren, dass sie für Gäste kocht, die Teller musste sie vom Nachbarn leihen. An Heathers Haustür hängt ein Familienfoto: Barack, Michelle, Sasha und Malia - die ganze Familie Obama strahlend auf einer Wiese. Und darunter prangt der Wahlkampfslogan: "Yes, we can!" Für diese Privatparty mit politischem Mitmachanstrich gibt es, so Heather, vor allem einen Grund: Die Hoffnung, dass viele kleine Unterstützer dem demokratischen Präsidentschaftskandidaten zum großen Coup verhelfen können. Heathers Ehrentag wird so zum Obama-Event.

Volunteers tragen Obamas Kampagne

Und Heather Berman ist nicht die einzige Amerikanerin, die sich für den Präsidentschaftskandidaten engagiert. "Volunteering" heißt die freiwillige Wahlkampfarbeit, bei der immer mehr Amerikaner im Land unterwegs sind, und sogar ins eigene Wohnzimmer einladen: Sie geben Yogastunden, bitten zur Tupperparty oder veranstalten Fünf-Gänge-Menüs im kleinen Kreis. In Deutschland kaum vorstellbar, in den USA mittlerweile ein Massenphänomen: Menschen, die sich zuvor noch nie begegnet sind, kommen sich durch ihr politisches Engagement schnell nahe - und sammeln ganz nebenbei Gelder, die das milliardenschwere Wahlkampf-Spektakel finanzieren. So verkaufen zwei New Yorker Musiker ihren Song "If-nothing-ever-changed" übers Internet. Der Download kostet 1,25 Dollar. Die eine Hälfte geht an die Krebsforschung, die andere an die Obama-Kampagne. Typische Grassroots-Fans, die den Kandidaten der Demokraten mit kleinen Summen und ihren Stimmen unterstützen. Obama machen sie stolz. Er verweist gern auf seine vielen Helfer.

Der Wandel, sagte er bei der Parteitagsrede in Denver, komme nicht aus, sondern nach Washington. Und das mit acht Millionen Volunteers im Rücken. So viele hat er inzwischen hinter sich versammelt. Sie sprühen vor Tatendrang, reisen durchs Land, ziehen von Haus zu Haus - und sind unentbehrlich geworden für seinen Wahlkampf. Ein Phänomen. Noch nie zuvor wurde ein Politiker von so vielen Einzelspendern unterstützt. Mittlerweile sind es Millionen.

Und eine davon ist Heather Berman. Die Regale in ihrer 50-Quadratmeter-Wohung in Manhattan sind mit Büchern vollgestopft. Auf dem Schreibtisch stehen zwei Postkarten, darauf das lächelnde Obama-Familienglück mit "Happy Holiday-Wünschen". Im Wohnzimmer hocken schon sieben Gäste, ein paar von ihnen auf einer Couch, die anderen auf Klappstühlen. Drei von ihnen hat sie noch nie gesehen. Sie sind gekommen, um Heather zu gratulieren, doch vor allem sind sie da wegen Obama: Wegen des Mannes, so sagen sie, den dieses Land und diese Welt braucht. An diesem Abend wollen sie wildfremde Menschen in allen Teilen des Landes anrufen. Vor allem in den Bundesstaaten, in denen das Ergebnis auf der Kippe steht.

In Heathers Wohnung gruppieren sie sich daher zu siebt um das Telefon - mit dabei: Aviva, die einfach nicht begreifen kann, wieso es Menschen gibt, die sich noch nicht für Obama entschieden haben. Ihr Mann Andy, ein erfahrener Wahlkämpfer, der weiß, wie man mit Unentschlossenen am Telefon redet. Bob, ein mittelloser New Yorker Fotograf, der den alten Zeiten hinterher trauert, in denen es in Manhattan noch eine Untergrundkunstszene gab und Jennifer, die die Medienpropaganda im Land satt hat und den Menschen die Wahrheit erzählen will: "Wenn alle wüssten, wie die politischen Verhältnisse wirklich sind, würden sie Obama wählen." Noch dabei: Drei von Heathers besten Freundinnen, die eher an Sex-and-the-City erinnern, als an langjährige Politaktivisten. Drei Tänzerinnen in knappen Tops, die über die Größe ihrer Taille diskutieren. Sie haben noch nie für eine politische Meinung geworben, doch jetzt, wo ihre Freundin Heather dazu eingeladen hat, wollen auch sie sich engagieren.

Heather gibt die Taktik für die Telefongespräche vor: "Wir müssen ganz freundlich sein, einfach nett fragen, ob sie sich bei den Wahlen schon entschieden haben und dann von den Vorteilen Obamas sprechen", sagt Heather und öffnet ihre Seite auf der Internet-Plattform barackobama.com. Wie in den Sozialen Netzwerken Studivz und Facebook - dort hat Obama fast 2 Millionen Unterstützer - hat jeder Nutzer sein persönliches Profil, in dem er sich in ein paar Sätzen und mit einem Foto vorstellt. Mehr als eine Million Anhänger sind auf der Seite organisiert: Sie vernetzen sich als Freunde, tauschen ihre Ideen aus und können sich sogar mit anderen Fans messen, wer mehr zum Wandel beiträgt: In Zahlen ist aufgelistet, wie viele Events man organisiert oder wie viele Anrufe man schon gemacht hat - Heather ist Neuling, sie veranstaltet ihr erstes Treffen und greift zum ersten mal zum Hörer, um Wähler für Obama zu gewinnen.

Wähler überzeugen und Pasta essen

Einer der Namen auf ihrer Liste: Monica Czapp, 73 Jahre, aus Pennsylvania, einem der umkämpften "Swing-States". "Hallo, mein Name ist Heather Berman, ich bin Volunteer der Obama-Biden-Kampagne. Haben Sie ein paar Minuten Zeit, mit mir zu sprechen?" Doch Czapp ist kurz angebunden. Sie sagt, dass sie gerade kocht. Noch einmal will sie nicht angerufen werden, lieber spreche sie das mit ihrem Mann durch. Doch Heather hakt nach: "Bedenken Sie dabei, wie wichtig es für Amerika wäre, wenn Obama Präsident würde - wichtig, für uns alle." Dann legt sie auf. Während sie alle Informationen aus dem Gespräch - sowohl Angaben darüber, welchen Kandidaten er unterstützt als auch Aussagen, was sie vom Präsidenten erwarten - in einer Tabelle auf der Obama-Seite einträgt, beginnt im Wohnzimmer die Diskussion. Hätte ich etwas besser machen können? Wie können wir die Leute noch besser erreichen? Aus der Geburtstagsfeier ist längst eine Wahlkampfparty geworden. Pasta und Risotto essen, und nebenbei auf Stimmenfang für Obama gehen.

Das Fazit am Ende des Abends: 29 Anrufe. Mehr als die Hälfte dauerten nur wenige Minuten. Doch die freiwilligen Wahlkampfhelfer sind trotzdem guter Dinge. "Das Wichtigste ist, dass wir eine persönliche Botschaft rübergebracht haben - das könnte für den Wahltag zählen."