US-Wahlkampf Salsa-Tanz der US-Kandidaten

Von Tobias J. Betz
Nicht die Schwarzen oder die Evangelikalen sondern die Latinos sind derzeit die begehrteste Wählergruppe in den USA. Die Präsidentschaftskandidaten beider Parteien umwerben sie deshalb heftig. Bei den Demokraten gelingt dies Hillary Clinton am besten. Doch ein Experte verriet stern.de, wie auch Barack Obama noch aufholen könnte.

Obama hebt seinen rechten Arm, stochert mit seinem Zeigefinger in der Luft herum und ruft: "Si se puede. Si se pude." Wir können es schaffen. Wir können es schaffen. Die Latinos im Saal toben, ihre Arme gehen nach oben, sie feiern einen spanisch sprechenden Barack Obama.

Der 5. Februar 2008 könnte ein historischer Tag werden für alle Latinos. Denn dann finden in 24 Bundesstaaten gleichzeitig Vorwahlen bei Demokraten und Republikanern statt - am Ende könnten die Stimmen der größten Minderheit der USA für die Entscheidung im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der beiden großen Parteien sorgen. Experten sprechen von einer historischen Chance für Latinos, endlich mehr politischen Einfluss zu nehmen.

Latinos im Fokus

Bei den Vorwahlen der Demokraten in South Carolina waren alle Augen noch auf die schwarzen Wähler gerichtet, die am Ende Barack Obama zu einem deutlichen Sieg verhalfen. Jetzt stehen vor allem die Latinos im Mittelpunkt: Erst in Florida, in der kommenden Woche, am sogenannten "Super Tuesday", dann in vielen Staaten. Vor allem in Kalifornien (2,5 Millionen Latino-Wähler), Arizona (jeder siebte Wähler ist Latino) und New York haben sie entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis der Vorwahlen. Mit Bill Richardson, Gouverneur von New Mexiko, ist ihr prominentester Fürsprecher bereits aus dem Rennen ausgeschieden. Der Latino-Politiker hatte gegen die Stars der Demokraten Clinton und Obama keine Chance.

Der geringe Einfluss der Latinos bei US-Wahlen überrascht. Sind sie doch seit 2003 die größte Minderheit im Land. 1950 waren es noch vier Millionen Latinos in den USA, 1970 schon neun Millionen. In den Achtziger Jahren setzte dann eine Einwanderungswelle vom Süden des amerikanischen Kontinentes ein, die bis heute anhält. Momentan leben 44 Millionen Latinos in den USA, rund 14 Prozent der Gesamtbevölkerung. Afro-Amerikaner rangieren mit rund 35 Millionen in der Statistik nur noch auf Rang zwei.

Wie groß das Interesse der Kandidaten an den Latinos ist, zeigte sich in den vergangenen Tagen tief im Süden, im Bundesstaat Florida. Dort finden die nächsten Vorwahlen der Republikaner statt. Im Visier der Wahlkampfstrategen: 3,6 Millionen Hispanics, die rund ein Fünftel der Gesamtbevölkerung des "Sunshine States" ausmachen. Alle Bewerber der Republikaner buhlen seit Tagen um Stimmen aus dieser Wählergruppe. Der frühere New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani, der in Florida gewinnen muss, ist sogar schon seit Monaten vor Ort.

Schaufaufen der Kandidaten

Was zählt ist der persönliche Auftritt, zum Beispiel beim einflussreichen lateinamerikanischen Baugewerbeverband. Der Reihe nach traten dort in den vergangenen Tagen alle Kandidaten auf: Mitt Romney kam zum Frühstück, Giuliani erschien zum Mittagessen. Zu Kaffee und Kuchen gab es eine Rede von Mike Huckabee und am Abend schloss John McCain mit seinem Auftritt den Kandidatenreigen ab. Der Senator aus Arizona gilt in Florida als aussichtsreichster Bewerber. Auch deshalb, weil McCain den einflussreichen Senator Mel Martinez, einen Kuba-Amerikaner, auf seiner Seite hat.

Wie seine Konkurrenten bemüht sich McCain vor allem um die Exil-Kubaner, die in Florida mehr als vierzig Prozent aller Latinos stellen, und sich der republikanischen Partei wegen ihrer harten Haltung gegenüber Machthaber Fidel Castro traditionell verbunden fühlen.

Die anderen Latinogruppen, vor allem Einwanderer aus Mexiko, stehen den Republikanern wegen deren harter Einwanderungspolitik skeptisch gegenüber. Auch die republikanischen Kandidaten bilden da keine Ausnahme. Alle stimmen überein: Die Grenze zu Mexiko soll verriegelt werden, illegale Einwanderer sollen die USA verlassen. Nur Senator John McCain schert mal wieder aus der Parteilinie aus, und fordert wie die Demokraten ein mit Auflagen verbundenes Bleiberecht für Illegale.

Einwanderungspolitik könnte entscheiden

Die harte Position beim Thema Einwanderung könnte sich für die republikanische Partei bei der Präsidentschaftswahl im November rächen. George W. Bush brauchte in seinen beiden Wahlen die Stimmen der Latinos. Doch Experten rechnen in diesem Jahr mit kräftigen Stimmenverlusten für die Republikaner.

Auch die Demokraten halten eine Vorwahl in Florida ab. Doch da der Bundesstaat diese zu einem sehr frühen Zeitpunkt angesetzt hat, entschied die demokratische Partei, dass Florida keine Delegierte zum Parteitag in Denver entsenden darf. Die Abstimmung ist also für Clinton, Obama und Co praktisch wertlos. Deshalb schauen die demokratischen Bewerber auch schon auf die Vorwahlen am "Super Tuesday" und schielen hier vor allem auf die Latino-Wähler in den großen Staaten.

Dann muss Barack Obama nach seinem fulminanten Sieg im von Schwarzen dominierten South Carolina beweisen, dass er auch bei den Hispanics punkten kann. Den ersten Test hatte er nicht bestanden. Denn in Nevada war er Hillary Clinton kürzlich vor allem deshalb deutlich unterlegen, weil sie bei den Latinos wesentlich mehr Stimmen als er sammeln konnte.

"Obama hat ein großes Handicap, das ihm bei den Hispanics schadet", sagt Gary Segura, Politikwissenschaftler an der Universität von Washington: "Viele kennen den Senator aus Illinois einfach nicht. Hillary Clinton andererseits ist ihnen bekannt, vertraut durch ihre Jahre als First Lady im Weißen Haus und später als Senatorin in der Hauptstadt Washington."

Einwanderungspolitik könnte entscheiden

Zudem habe der Kandidat Barack Obama bis vor wenigen Wochen keine Strategie gehabt, wie er Latino-Wähler von sich überzeugen könnte, sagt Segura. Hillary Clinton dagegen schon. Sie habe wesentlich mehr spanischsprachige TV-Wahlkampfspots produziert, einen eigenen Wahlkampfberater eingestellt, der sich mit Latino-Wählern beschäftigt und habe ein Netzwerk an einflussreichen Unterstützern in der lateinamerikanischen Community.

Obama müsse nun mehr über seine eigene Einwanderergeschichte sprechen, rät Gary Segura. Auch seine Erfahrung als Sozialarbeiter in Problemvierteln von Chicago könnte ihm nützen. Damit könne Obama Latinos erreichen, weil sie dessen Erfahrungen oft aus ihrem täglichen Leben kennen.

Folklore reicht nicht aus

Was Obama außerdem Hoffnung machen könnte: Das Rennen um die Gunst der Latinos ist noch nicht entschieden. Das zumindest glaubt Williams Ramos von der Organisation NALEO, die gewählte Repräsentanten aus der Latino-Community vertritt. "Die Latinos sind reifer geworden. Mit netten Reden und Folkloremusik lassen sie sich nicht mehr überzeugen", sagt Ramos. Die Kandidaten müssten vielmehr die Interessen und die Probleme der Latinos ernst nehmen und sich vor allem für eine bessere Bildung und mehr Jobs einsetzen. Auch für die schwelende Immobilienkrise erwarteten die Latinos eine Lösung, meint Ramos. Denn viele von ihnen seien davon betroffen, könnten ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen und müssten ihre Häuser aufgeben.

Hillary Clinton konzentriert sich genau auf diese Probleme der Latinos in ihren TV-Wahlwerbespots. Sie nennt die Latino-Community "eine starke Gemeinschaft", "hart arbeitende Leute", die eine bessere Zukunft für ihre Kinder verdient hätten. Sie blickt ruhig in die Kamera, hinter ihr die amerikanische Flagge. Sie will eine Präsidentin für alle Amerikaner sein, doch die spanischen Untertitel in ihrem Spot offenbaren: Bis dahin ist es noch ein weiter Weg.