Ukraine-Krieg Notfall-Pläne der USA: “Tiger-Team” prüft Szenarien für möglichen Einsatz von Moskaus ABC-Waffen

Joe Biden (l), Präsident der USA, während eines Gesprächs mit seinem nationalen Sicherheitsteam im Weißen Haus
Joe Biden (l), Präsident der USA, während eines Gesprächs mit seinem nationalen Sicherheitsteam im Weißen Haus im vergangenen Jahr. Nun prüft ein Sicherheitsteam Szenarien eines möglichen Einsatzes von ABC-Waffen durch Russland.
Die USA befürchten, dass Russland im Krieg mit der Ukraine tatsächlich Atomwaffen einsetzen könnte. Das "Tiger-Team" prüft deshalb Szenarien für einen möglichen Einsatz von Moskaus ABC-Waffen. Es erarbeitet Notfall-Pläne und ein mögliches Einschreiten.

Was vor einem Monat bloß reine Theorie war, scheint nun keineswegs undenkbar: Putin könnte seine stärksten Waffen einsetzen, die ABC-Waffen (Massenvernichtsungswaffen). Denn die russische Armee verbucht im Ukraine-Krieg nicht die Erfolge, die sich Moskau verspricht und wird seiner Machtposition nicht gerecht. Der Einsatz solcher Waffen würde verheerende Folgen haben.

Aus Sorge vor einem möglichen Atomwaffen-Einsatz hat das Weiße Haus daher ein Team nationaler Sicherheitsbeamter aufgestellt. Es beschäftigt sich mit der Frage, wie der Westen auf einen möglichen Atomwaffenangriff Russlands reagieren würde, berichtet die "New York Times".

Das sogenannte Tiger-Team prüft auch Szenarien, wie die USA und ihre Verbündeten darauf reagieren würden, sollte die russische Armee Konvois mit Waffen- und Hilfslieferungen in Nato-Gebiet angreifen. Zudem prüft das Notfallteam Reaktionen auf die Ausweitung des Kriegs in nahegelegene Länder zur Ukraine, wie Moldawien und Georgien.

Das Tiger-Team, das seit Jahren eine Notfall-Task-Force innerhalb des nationalen Sicherheitsrates bildet, wurde vier Tage nach dem Kriegsbeginn zusammengestellt. Die beteiligten Sicherheitsbeamte bleiben anonym, um die heikle Planung vorzunehmen. Das Team spielt eine zentrale Rolle bei der Ausarbeitung strenger Sanktionen, der Aufstockung der Truppen in den NATO-Staaten und die Bewaffnung des ukrainischen Militärs.

In den Sitzungen des Teams, welche dreimal pro Woche stattfinden, geht es auch darum, wie man den gewaltigen Flüchtlingsstrom nach Europa bewältigen kann. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks sind seit Kriegsbeginn vor rund einem Monat mehr als 3,7 Millionen Menschen aus der Ukraine geflüchtet – ein solches Ausmaß hat es zuletzt vor Jahrzehnten gegeben.

USA: Senator warnt Russland vor "Konsequenzen"

Nato-Generalsekretär, Jens Stoltenberg, erklärte am Mittwoch, dass selbst wenn Russland Massenvernichtungswaffen nur innerhalb der Ukraine einsetzen würde, dies "schreckliche Folgen" für die Menschen in den NATO-Staaten haben könne. Demnach besteht die Befürchtung, dass chemische oder radioaktive Wolken über die Grenze getrieben werden könnten. Ob ein solches Vorgehen als Angriff auf die Nato gesehen wird, ist noch unklar. Eine wichtige Frage besteht darin, nach welchen Kriterien sich die Nato militärisch in den Ukraine-Krieg einmischt.

Senator Jack Reed, ein Demokrat aus Rhode Island, der dem Ausschuss für Streitkräfte vorsteht, kündigte an, wenn Russland Massenvernichtungswaffen einsetzen würde, "würde das Konsequenzen haben". "Es wird eine sehr schwierige Entscheidung sein, aber es ist eine Entscheidung, die nicht nur der Präsident, sondern der gesamte NATO-Rat treffen muss", sagte Reed gegenüber Reportern.

US-Präsident Joe Biden ist bisher aber sehr zurückhaltend, da er befürchtet, dass eine direkte Konfrontation mit Russland zu einer weiteren Eskalation führen könnte. "Das wäre der Dritte Weltkrieg", bemerkte er neulich. Dennoch sei die US-Regierung der Ansicht, dass es ein Fehler wäre, nicht genau zu prüfen, ab welchen Schwellenwerten der Präsident seine Entscheidung rückgängig machen würde, so ein US-Beamter. Er sollte darauf vorbereitet sein, mit den Folgen des Einsatzes von Massenvernichtungswaffen umzugehen. 

Einsatz von ABC-Waffen offenbar unwahrscheinlich

Sollte Putin absichtlich einen Nato-Staat angreifen, würde die Nato militärisch eingreifen – wahrscheinlich auch in der Ukraine, sagte der lettische Verteidigungsminister Artis Pabriks gegenüber Reportern. Er glaube aber nicht, "dass er so dumm sein sollte".

Im Weißen Haus ist man sich sicher, dass Putin mit dem Einmarsch in die Ukraine einen schwerwiegenden Fehler gemacht hat, der Russlands Ansehen verringern könnte, seine Wirtschaft zurückwerfen und potenzielle Verbündete über Jahre hinaus verprellen wird. Daher herrscht Sorge über Putins weiteres Vorgehen. Denn er wird seine scheiternde militärischen Maßnahmen retten oder seine Glaubwürdigkeit als gefürchtete Macht wiederherstellen wollen. Bislang schätzt man die Wahrscheinlichkeit aber gering ein, dass Russland tatsächlich Atomwaffen einsetzen wird.

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Quellen: New York Times, mit Material der dpa

nk

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