China hat mit der Entsendung eines großen Beobachtungsballons den Zorn der Amerikaner auf sich gezogen. Die US-Regierung legt nun nach mit den Spionagevorwürfen gegen Peking und liefert neue Einzelheiten. Die Chinesen verschärfen derweil ihre Wortwahl.
China reagiert verschnupft auf Joe Biden
Die Entdeckung und der Abschuss des chinesischen Spionageballons über den USA sorgt zunehmend für Spannungen. Während US-Präsident Joe Biden in mehreren TV-Interviews den Einsatz gegen den Ballon rechtfertigt und der Regierung in Peking nebenbei vor das Schienbein stößt, reagiert das chinesische Außenministerium zunehmend verschnupft: Man sei "sehr unzufrieden, denn diese Art der Rhetorik der USA ist extrem unverantwortlich und widerspricht der grundlegenden diplomatischen Etikette", sagte eine Ministeriumssprecherin.
Im Fernsehsender Telemundo hatte Biden gesagt, der Flug eines Spionageballons im Luftraum der Vereinigten Staaten verstoße gegen das Völkerrecht. Der Vorfall stelle keine größere Sicherheitslücke dar, aber es sei "unser Luftraum" und sobald er diesen "erreicht hat, konnten wir damit machen, was wir wollten". Im US-Sender PBS antwortete er dann auf die Frage, ob die Beziehungen zwischen den USA und China durch den Abschuss einen schweren Schlag erlitten hätten, mit einem klaren "Nein". Er könne dies sicher sagen, weil die beiden Länder miteinander im Austausch seien.
Biden: "Xi hat Probleme"
Biden konnte sich zudem eine Spitze gegen den Machthaber in Peking verkneifen: Xi habe "enorme Probleme", so der US-Präsident, darunter "eine Wirtschaft, die nicht sehr gut funktioniert". "Fällt Ihnen irgendein anderer Staatschef ein, der mit Xi Jinping den Platz tauschen würde? Mir fällt keiner ein", so Biden weiter. Xis wenig beneidenswerte Position würde für neue Spannungen zwischen China und den USA sorgen.
Die Pekinger Außenministeiumssprecherin sagte weiter: "Ich denke, das ist Teil des Informationskrieges, den die USA gegen China führen." Die internationale Gemeinschaft wisse genau, wer in Wirklichkeit "die Nummer Eins unter den Spionage- und Überwachungsimperien" sei. Sie wiederholte zugleich die Darstellung, dass es sich um ein ziviles Luftschiff gehandelt habe, das aufgrund höherer Gewalt versehentlich in den US-Raum eingedrungen sei. "Obwohl wir das wiederholt klargestellt haben, haben die USA Gewalt angewendet, um es abzuschießen, was unverantwortlich ist."
Chinesische Ballons über allen Kontinenten
Angesichts des Streits hatte US-Außenminister Antony Blinken kurzfristig eine Reise nach Peking abgesagt. Blinken hatte zuletzt erklärt, der abgeschossene chinesische Ballon sei Teil eines umfangreichen Überwachungsprogramms. "Die Vereinigten Staaten waren nicht das einzige Ziel dieses breit angelegten Programms, das die Souveränität von Ländern auf fünf Kontinenten verletzt hat."
Das US-Außenministerium legte zahlreiche Details nach, um die Darstellung aus Peking zu entkräften: Der abgeschossene chinesische Ballon habe über "mehrere Antennen" verfügt und sei vermutlich in der Lage gewesen, "Kommunikation zu sammeln und zu lokalisieren". Die USA hätten mit Hilfe von US-Aufklärungsflugzeuge vom Typ U2 hochauflösende Bilder gemacht, um die Fähigkeiten des Ballons zu bestimmen. Dessen Ausrüstung stimme nicht mit der von Wetterballons überein. Zudem sei der Ballon mit Solarpanels ausgerüstet gewesen, die groß genug gewesen seien, um für Spionage gedachte Sensoren zu betreiben.
"Wir wissen, dass diese Ballons alle zu einer Flotte von Ballons der Volksrepublik China gehören, die für Überwachungszwecke entwickelt wurden", sagte der Vertreter des US-Außenministeriums weiter. Diese Art von Aktivitäten werde häufig auf Anweisung des chinesischen Militärs durchgeführt. "Wir sind sicher, dass der Ballonhersteller in direkter Beziehung zum chinesischen Militär steht", betonte er.
Laut der US-Regierung habe die Flotte von Spionageballons mehr als 40 Länder ins Visier genommen. Die US-Regierung wende sich direkt an die Staaten, um sie über den Umfang des chinesischen Überwachungsprogramms zu informieren. "Wir wissen, dass China diese Ballons zur Überwachung eingesetzt hat."
Nato mahnt zur Vorsicht
Nato-Generalsekretär Stoltenberg warnte vor Gefahren auch für Europa. Der Ballon bestätige ein "Muster", wonach China in den vergangenen Jahren "stark in neue militärische Fähigkeiten investiert" habe, so Stoltenberg bei einem Treffen mit US-Außenminister Blinken in Washington. "Wir haben auch verstärkte chinesische Geheimdienstaktivitäten in Europa gesehen", sagte Stoltenberg weiter. "Sie verwenden Satelliten, sie verwenden Cyber, und, wie wir über den USA gesehen haben, auch Ballons. Wir müssen also vorsichtig sein."
Angesichts der verstärkten Befürchtungen um chinesische Spionage im Luftraum verkündete Japan jetzt, es untersuche nicht identifizierte Objekte, die in den vergangenen Jahren über dem Land gesichtet worden waren. "Wir kommunizieren mit den Vereinigten Staaten", sagte ein Regierungssprecher. "Gleichwohl untersuchen wir Objekte, die im Juni 2020 und September 2021 über Japan gesichtet wurden, einschließlich möglicher Verbindungen zu dem Fall in den Vereinigten Staaten."
Die US-Regierung betonte aber, ihr sei an offenen Kommunikationskanälen mit Peking gelegen und Blinkens Peking-Besuch solle nachgeholt werden, sobald die Bedingungen dies zuließen. Peking bestätigte allerdings, ein Telefonat mit dem US-Verteidigungsminister nach dem Abschuss des Ballons abgelehnt zu haben. "Die unverantwortliche und ernsthaft irrtümliche Herangehensweise der USA hat keine passende Atmosphäre für den Dialog und Austausch zwischen den beiden Armeen geschaffen", erklärte das chinesische Verteidigungsministerium.