USA-Besuch Von lahmen und fetten Enten

Kanzler Gerhard Schröder nutzt den Besuch bei US-Präsident George Bush, um sein außenpolitisches Profil zu schärfen. Wichtigstes Mitbringsel: Die harte Haltung gegen einen deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat weicht auf.

US-Präsident George W. Bush und sein Gast Bundeskanzler Gerhard Schröder verbreiteten tierisch gute Laune: Sie scherzten im Oval Office des Weißen Hauses nach ihrem halbstündigen Gespräch über Rodeos und Enten, und auf den ersten Blick sah alles nach einer "Win-Win-Situation" aus: Schröder konnte am Montag in Washington sein außenpolitisches Profil schärfen. Bush demonstrierte, "wie sehr ich den Kanzler schätze". Im Hintergrund hörten Vizepräsident Dick Cheney und Außenministerin Condoleezza Rice den Ausführungen der beiden Staatslenker zu. Im Grunde war es ein Gedankenaustausch über die Weltlage ohne besondere Höhepunkte. So sah es Stephen Szabo, ein Experte für deutsch-amerikanische Beziehungen an der Washingtoner Johns-Hopkins-Universität.

"Die Luft ist raus"

Aber Szabo sagte auch ganz deutlich: "Die Luft ist raus" aus dem Treffen angesichts der Aussichten auf eine vorgezogene Bundestagswahl und der derzeitigen Umfrageergebnisse. "Ich glaube, dass die Bush-Regierung, wie jedermann, Schröder nur noch eine begrenzte Amtszeit gibt." Szabo verwendete sogar das Wort "lame duck" (lahme Ente).

Schröder grauste vor nichts: Er nahm auf die unvermeidliche Wahlkampf-Frage das ornithologische Bild auf und zitierte unter Anspielung auf die entscheidende Phase am Schluss des Wahlkampfes einen niedersächsischen Spruch: "Hinten sind die Enten fett." Zuvor hatte schon Bush versucht, die Klippe zu umschiffen. Ob er Schröder Glück für den bevorstehenden Wahlkampf wünsche? "Er hat schon Glück, dass der Wahlkampf so kurz ist", sagte Bush. Und überhaupt: "Wie wir Texaner sagen: Es ist nicht sein erstes Rodeo."

"Wir sind gegen niemanden"

Außenpolitik in Wahlkampfzeiten birgt eben viele Fallstricke. Der Bundeskanzler erinnerte den US-Präsidenten daran, dass über die dringend nötige Reform der Vereinten Nationen nun schon 15 Jahre gesprochen werde, aber die konkrete Umsetzung nach wie vor auf sich warten lässt. Am besten wäre es, wenn noch vor der diesjährigen UN-Generalversammlung die entscheidenden Schritte getan werden könnten, meinte Schröder.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt: Die Versammlung fällt ziemlich genau mit dem Termin einer vorgezogenen Bundestagswahl zusammen. Schröder holte sich immerhin den Satz Bushs ab: "Wir sind gegen niemanden." Das war bislang die positivste Äußerung des Präsidenten über den deutschen Wunsch nach einem ständigen deutschen Sitz im Weltsicherheitsrat. Eine hinreichend deutliche Ansage wäre nicht schlecht für Schröder im Wahlkampf - ganz zu schweigen von einem entsprechenden Votum in den UN-Abstimmungen.

Ein spontanes Gespräch im Weißen Haus

Das weiß auch Bush. Er gewährte vor zwei Jahren dem hessischen Ministerpräsidenten - auf amerikanisch: einem Provinzgouverneur - Roland Koch (CDU) die Ehre eines spontanen Gedankenaustauschs, als dieser in Washington weilte. Schröders Superminister Wolfgang Clement ließ der Präsident dagegen links liegen. Bush wird auch bei der Nominierung der CDU/CSU-Kanzlerkandidatin Angela Merkel vor einigen Wochen nicht gefragt haben: "Angie ... who?" Er kennt die Oppositionsführerin, die beim Irakkrieg - ebenfalls in Wahlkampfzeiten - nicht die rigide Haltung Schröders gegen die Vereinigten Staaten teilte, ebenfalls von mehreren Höflichkeitsbesuchen.

Dass Schröder in Bush nach dessen Erfahrungen mit der deutschen Haltung zum Irakkrieg keinen willigen Wahlkampfhelfer finden wird, heißt aber noch lange nicht, dass es Merkel nutzt. Nahe an Bushs Linie zu agieren, muss nicht unbedingt deutsche Wählerstimmen bringen - das hat die Opposition 2002 erfahren. Und wenn es um den Sitz im Weltsicherheitsrat geht: Den will Deutschland auch schon seit den Außenpolitikern Helmut Kohl und Klaus Kinkel. Nur hat der damalige Kanzler es nach außen hin nicht so ernst genommen, und sein Außenminister musste sich daran abarbeiten.

AP
Thomas Rietig/AP