Er ist von der Queen geadelt und von Gordon Brown in die Downing Street geladen worden. Doch diese Woche hat Sir Fred Goodwin einen neuen Titel erhalten: Die Tageszeitung "The Times" ernannte ihn zu "Großbritanniens schlechtestem Bankier".
In Zeiten wie diesen reicht es zu dieser fragwürdigen Auszeichnung nicht mehr, dass die Royal Bank of Scotland (RBS) im vergangenen Jahr nach acht Jahren unter dem Vorstand von Sir Fred teilverstaatlicht werden musste. Es reicht auch nicht, dass die Bank bereits dutzende Milliarden aus dem britischen Staatssäckel erhalten hat, um schlecht gesicherte Kredite aufzufangen.
Für diesen Titel brauchte es den größten Verlust in der Geschichte des Bankenwesens, den RBS in dieser Woche vermelden musste. Sagenhafte 30 Milliarden Euro sind der Bank im vergangenen Jahr abhanden gekommen, nach Verrechnung mit Gewinnen bleibt immer noch ein Defizit von mindestens 7,5 Milliarden Euro.
Ein gigantischer Haufen Schulden
"Wut allein drückt es nicht gut genug aus", gab Gordon Brown der Presse zu verstehen, als diese ihn nach seiner Laune angesichts der neuen Schreckensmeldungen fragten. Denn es ist nicht nur die Royal Bank of Scotland, die im neuen Jahr mit neuen Horror-Zahlen aufwartet. Insgesamt sollen britische Banken auf einem Riesenhaufen von ungefähr 215 Milliarden Euro wenig bis gar nicht abgesicherter Schulden sitzen. Genau sagen kann es niemand, denn die Banken lassen sich nicht gern in ihre Bilanzen schauen. Und außerdem kommen durch die schlechte Wirtschafts-Situation auch ständig neue Abschreibungen hinzu. Die Regierung Brown überlegt nun, alle schlechten Kredite in einer Art Auffang-Versicherung zu bündeln, was in Wahrheit eine Bank schaffen würde, die nur durch Steuerzahlergeld am Leben gehalten wird.
Britische Zeitungen rechnen vor, dass seit Oktober 2008 die steuerfinanzierten Garantien der britischen Regierung gepaart mit Konjunkturpaketen und Kreditversprechen inzwischen auf eine Billiarde Pfund angewachsen sind - das sind fast 35.000 Euro, die jeder Steuerzahler aufbringen muss.
Allein angesichts dieser Zahlen sind viele Briten bereits sprachlos. Dazu kommen die "verantwortungslosen Fehler einiger Bankmanager", wie es Gordon Brown ziemlich unumwunden formulierte. Als Beispiel hierzu dient wiederum die Royal Bank of Scotland: Sie lieh dem russischen Oligarchen Leonid Blatavnik 2,7 Milliarden Euro für sein Chemiefabrik-Geschäft. Das ging Pleite, und die gesamten Milliarden mussten einfach abgeschrieben werden. Währenddessen residiert Blatavnik weiter in einem 43-Millionen-Euro-teuren Haus in London.
Cornelia Fuchs
London ist der Nabel der Welt und Europa immer noch "der Kontinent". stern-Korrespondentin Cornelia Fuchs beschreibt in ihrer wöchentlichen stern.de-Kolumne das Leben zwischen Canary Wharf und Buckingham Palace, zwischen Downing Street und Notting Hill.
Übernahmen um jeden Preis
Erst langsam ahnen die Briten, dass es inzwischen bei weitem nicht mehr nur um Probleme am Immobilienmarkt geht. Der Vorstandsvorsitzende der größten schottischen Bank war nur einer der Hauptakteure in einem völlig überhitzten Markt, der jetzt zum Komplettstillstand gekommen ist. Sir Fred galt jahrelang als Vorzeige-Kapitalist in Großbritannien. Seine Übernahme der Bank NatWest war ein Paradestück und brachte der ehemals kleinen Regionalbank RBS Millionen-Gewinne. Es galt als der "Deal des Jahrhunderts" in Bankenkreisen und machte Sir Fred zum "Deal-Junkie", wie die Zeitung Financial Times schreibt. Fred Goodwin konnte von riskanten Übernahmen nicht mehr die Finger lassen- anscheinend zu jedem Preis. Er kaufte Banken in den Vereinigten Staaten, in China und Versicherungen in Großbritannien.
Und 2008, zu einer Zeit, als Experten bereits vor der Finanzkrise warnten, konnte er nicht zusehen, wie sein größter Rivale Barclays um die niederländische Bank ABN Amro buhlte. Er überbot alle. Und heute liegt ABN Amro wie ein Mühlstein auf RBS - der Milliarden-Kredit an Blatavnik war nur einer von vielen ungesicherten Geschäften in den Bilanzen der Niederländer.
Die Aktie ist nur noch ein paar Pence wert
Die Royal Bank of Scotland existiert seit 282 Jahren. In dieser Woche hat sie in kürzester Zeit neben dem größten Verlust in der Geschäftsgeschichte auch den schnellsten und tiefsten Fall auf dem Aktienmarkt zu verbuchen: 67 Prozent brach der RBS-Titel ein, er war nur noch wenige Pence wert. Die zehn Millionen Aktionäre der RBS wird nur wenig trösten, dass dies auch Sir Fred trifft, der in seinen acht Jahren als Vorstand über 30 Millionen Pfund mit nach Hause nahm. Sein Aktienvermögen reduzierte sich innerhalb weniger Stunden von 6,2 Millionen auf unter 320.000 Euro.