Very British Keinen Champagner, bitte

Eigentlich hätten die britischen Konservativen auf ihrem Parteitag allen Grund zu feiern - in Umfragen liegen sie weit vor der regierenden Labour-Partei. Wenn da nicht das Thema wäre, dass die Partei bereits einmal die Macht gekostet hat.

Zwischen den Marmorsäulen im Foyer des Konferenzhotels "The Midland" im Herzen Manchesters wird Bier getrunken und viel Weißwein, der Lärm aus Gesprächsfetzen, Gelächter und ausdauerndem Schulterklopfen füllt die Halle. Die Partei der Konservativen lässt es sich gut gehen, und das ist kein Wunder: Die Torys sehen sich im Endspurt zur Machtübernahme.

Nach zwölf Jahren in der Opposition werden sie nach allen Umfragen spätestens im nächsten Juni die neue Regierungspartei stellen mit ihrem Vorsitzenden David Cameron als Premierminister. Doch wer bei den Feiernden genauer nachfragt, der spürt die Angst, dass noch alles anders kommen könnte. Denn der anscheinend so große Vorsprung der Tories beruht auf einem Problem: Zwar steht David Cameron in der Sympathie-Skala weit vor dem amtierenden Premier Gordon Brown. Doch seine Partei ist immer noch unbeliebt.

Keine Fotos mit Champagner

Nach neuesten Umfragen glauben 68 Prozent der Briten, dass sich die Tories seit den Zeiten Margaret Thatchers nicht geändert haben. Im Volksmund sind sie immer noch die "fiese Partei", die mit Steuersenkungen ihre reichen Kumpel belohnen will, sich um die Ärmsten und Minderheiten im Staat einen Dreck schert und überhaupt irgendwie im 19. Jahrhundert lebt. Dazu kommt, dass Cameron in seiner designierten Ministerriege mehr Aristokraten-Abkömmlinge und Internats-Absolventen versammelt hat, als in kaum einem Kabinett zuvor.

Deswegen sollen sich nach einem Ukas aus der Parteizentrale die Abgeordneten nicht mit Champagner-Gläsern fotografieren lassen. Das sehe nicht gut aus in Zeiten von Rezession und ausladenden Staatsschulden. Der designierte Finanzminister George Osborne verkündete diese Woche, nach seinem Amtsantritt das Gehalt hunderttausender Staatsdiener entweder einzufrieren oder gar zu kürzen. "Wir hängen alle gemeinsam in dem Schlamassel.", beschwor er die Zuhörer in der Konferenzhalle und das Wahlvolk an den Fernsehschirmen.

Neben Bildern von Champagner-schlürfenden Konservativen hat Cameron auch versucht zu verhindern, dass das Thema Europa seinen Parteitag dominiert. Nach dem "Ja" der Iren zum Lissabon-Vertrag steigt der Druck auf den Parteivorstand, sich endlich zum weiteren Vorgehen der Konservativen zu äußern.

Der lange Schatten von Margaret Thatcher

Denn seit Jahren verspricht Cameron den Briten ein Referendum zur Reform in Europa. Doch was wird Cameron tun, wenn der Lissabon-Vertrag wie erwartet in Kraft ist, bevor er in der Downing Street einzieht? "Wir werden die Sache nicht auf sich beruhen lassen", verkündet der designierte Außenminister William Hague und klingt, als würde er ein einstudiertes Mantra abspulen. Erklären was das genau heißt, wollte bisher nicht.

Es ist der Schatten der alten Tory-Partei, der hier sein Haupt hebt. In den letzten Monaten unter Margaret Thatcher haben sich die Konservativen im Kampf um Europa selbst zerfleischt. Cameron will unter allen Umständen verhindern, dass der Eindruck entsteht, die Partei sei sich schon wieder über Europa uneins.

Was bloß tun mit Europa

Ganz erfolgreich ist er damit nicht. Zwar halten sich seine Fraktionskollegen zurück - aber die Parteibasis macht nichts lieber, als über Europa zu diskutieren. Veranstaltungen zum Thema sind bis auf den letzten Platz belegt. Und die Stimmung ist klar: Wenn Cameron auf seine Partei hören würde, müsste er nicht nur ein Referendum abhalten. Er würde am besten schon jetzt überlegen, wie er sich ganz aus Europa verabschieden kann.

"Das klappt in meiner Ehe seit Jahrzehnten", sagt ein Delegierter, der seinen Namen lieber nicht genannt haben will. "Meine Frau und ich sprechen nicht miteinander - und deswegen funktioniert es zwischen uns." Anscheinend hält der Mann diese Idee auch für ein gelungenes Arrangement des deutsch-britischen Verhältnisses im Cameron-Zeitalter.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Camerons seltsame Allianz mit ultrarechten Polen, Litauern und Tschechen im europäischen Parlament die deutsche Kanzlerin Angela Merkel so verärgerte, dass sie momentan nicht mehr mit dem konservativen Parteivorsitzenden spricht. Cameron hatte für seine neuen Freunde zuvor die Koalition der Christdemokraten in Europa verlassen.

Die Ultrarechten aus Osteuropa zu Gast

Sie tauchten auch in Manchester auf, die Mitglieder von Camerons neuer Europa-Allianz, und sorgten für Aufregung. Michal Kaminski, zum Beispiel, der europäische Vertreter der polnischen "Recht und Ordnung"-Partei (PiS) dinierte mit Parteioberen ebenso wie Juris Dobelis von der litauischen nationalistischen "Für Vaterland und Freiheit"-Partei, die regelmäßig an Aufmärschen für die litauischen Verbände der Waffen-SS teilnimmt. Der Verband britischer Juden sprach in einem Brief von ihren "Bedenken" angesichts Camerons neuen Verbindungen zu osteuropäischen Ultrarechten.

Cameron wird nun die große Abschlussrede des Parteitags halten - und muss dabei die alte Garde seiner Partei eben so überzeugen wie die Briten, die ihn nur als neuen, fortschrittlichen Konservativen wählen werden. Die Europa-Debatte mitsamt der Frage nach einem Referendum kann er dabei eigentlich genau so wenig gebrauchen wie die neuesten Schlagzeilen um seine Person.

Fotografen erwischten ausgerechnet ihn, den Parteivorsitzenden, bei einem Empfang während der Konferenz mit einem Sekt-Kelch in der Hand. Das Foto zierte prompt die Titelseite der Boulevard-Zeitung "Daily Mirror", darunter die Schlagzeile: "Blubbernder Bastard".