Vizekandidatin Palin US-Republikaner schließen ihre Reihen

Den Strategen der US-Republikaner steht der Schweiß auf der Stirn: Erst wirbelt Hurrikan "Gustav" ihren Parteitag durcheinander, dann gerät die frisch gekürte Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin ins Kreuzfeuer der Kritik. Die Partei reagiert mit Geschlossenheit, doch die Medien bringen immer neue Details ans Tageslicht, die an Palins Sauberfrau-Image kratzen.

Nach Enthüllungen über das private und politische Leben ihrer Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin haben die US-Republikaner die Gouverneurin von Alaska in Schutz genommen. Der designierte Präsidentschaftskandidat John McCain sagte am Dienstag in Philadelphia, er sei mit dem Ergebnis seines Auswahlverfahrens sehr zufrieden. Auch Mitt Romney, der selbst zweitweise als Anwärter für das Vizeamt galt, erklärte, "die Basis der Republikanische Partei könnte nicht begeisterter sein, als sie es mit Sarah Palin ist". Darüber hinaus warf auf dem Parteitag in St. Paul der ehemalige Präsidentschaftsbewerber Fred Thompson der Presse vor, Palin in den Schmutz ziehen zu wollen.

Die Republikaner wiesen eine Bericht der "New York Times" zurück, Palin sei zwischenzeitlich Mitglied der Alaska Independence Party gewesen, die für eine Abspaltung von den USA eintritt. Entsprechende Vorwürfe seien falsch, hieß es. Die Wahlkampfleitung legte zudem Dokumente aus den 90ern als Beweis vor, dass Palin in der fraglichen Zeit als Republikanerin registriert gewesen sei.

Untersuchungen wegen Amtsmissbrauchs

Die fünffache Mutter Palin ist bei den Republikanern beliebt, weil sie Abtreibungen strikt ablehnt und für niedrige Steuern eintritt. Allerdings ist Palins 17-jährige, ledige Tochter Bristol schwanger - während sich ihre Mutter öffentlich seit Jahren für sexuelle Enthaltsamkeit von Teenagern stark macht. Gegen Palin laufen in Alaska zudem Untersuchungen wegen Amtsmissbrauchs. Dabei geht es um den Vorwurf, sie habe einen Beamten aus persönlichen Gründen entlassen. Einige Kritiker sehen die 44-Jährige nach zwei Jahren Amtszeit als Gouverneurin zudem als zu unerfahren an, um im Extremfall das höchste Amt der USA übernehmen zu können.

Doch das öffentliche Echo unter den Delegierten war einhellig und tapfer: So etwas komme in den besten Familien vor. Und schließlich gehe Bristol genau in der Weise mit dieser Herausforderung um, wie es der Position von Abtreibungsgegnerin Palin entspricht: Sie behält ihr Baby und heiratet dazu auch noch den Vater. "Die Familie meistert die Sache ehrenvoll", formulierte es Rick Scarborough, Gründer der konservativen Aktivistengruppe "Vision America". Die Delegierte Jane Milhans pflichtete bei: "Das macht Sarah Palin nur noch humaner."

Aber während sich das Parteivolk um die Gouverneurin scharte, vertieften sich bei den Republikaner-Strategen die Sorgenfalten. Nicht umsonst hatten sie versucht, die unvermeidlich gewordene Enthüllung wenigstens so zu platzieren, dass sie möglichst wenig Aufmerksamkeit erregen würde: genau während des Eintreffens von "Gustav" im US-Süden. Aber das half wenig. Als sich herausgestellt hatte, dass die große Katastrophe an der Golfregion nicht eintraf, stürzten sich die Medien mit Wonne auf die Palin-Nachricht, prangten auf den Bildschirmen in den Pressezentren die Worte "Breaking News": Palins 17-jährige Tochter ist schwanger.

Tröpfchenweise schlechte Nachrichten

Dabei lastete niemand der Gouverneurin an, dass sie ihre Tochter ganz augenscheinlich nicht für sexuelle Enthaltsamkeit gewinnen konnte. In den Vordergrund rückten vielmehr der offensichtliche Versuch, die Sache möglichst lange geheim zu halten und die Frage von McCains Urteilsvermögen. Hinzu kamen tröpfchenweise immer weitere Informationen über den Hintergrund Palins, die an ihrem Image als unbestechlich-geradlinige Sozialkonservative kratzten. Dazu gehört der Vorwurf, dass sie aus purer Rachsucht einen ihrer Behördenchefs an die Luft setzte, weil dieser seinerseits ihren ungeliebten Ex- Schwager nicht gefeuert hatte - ein Verdacht, der immerhin so ernst genommen wird, dass Alaskas Kongress ermittelt.

McCains Lager beteuert, dass Palins Hintergrund genau durchleuchtet worden sei und dem Kandidaten alles vor der Nominierung bekannt gewesen sei. Aber vieles deutet darauf hin, dass McCain sich in aller Hast für Palin entschied, um der konservativen Basis eine der Ihren zu präsentieren. Er habe sie nur zweimal vor der Nominierung persönlich getroffen, hieß es am Dienstag in US-Medien, und habe sie anscheinend nur oberflächlich unter die Lupe nehmen lassen. Die republikanische Kongressabgeordnete Gail Phillips bestätigt dies. Sie habe 30, 40 Persönlichkeiten in Palins Umgebung angerufen, schilderte sie in der "Star Tribune". Aber keiner sei vom McCain-Lager angesprochen worden. "Alaska ist sehr klein", so Phillips, "aber ich habe niemanden gefunden, der (nach Palin) befragt worden ist."

Am Mittwoch wird die Gouverneurin nach ihrer offiziellen Nominierung ihre Antrittsrede halten und die Delegierten werden sie bejubeln - bestärkt durch First Lady Laura Bush, die Palin bei einem Frühstück mit Delegierten als "Superfrau" bezeichnete. Aber die meisten Medien sahen das anders. Ihr Urteil: Zumindest zum Teil ist der Lack ab, und McCain könnte seine Wahl bitter bereuen. Und die Demokraten haben neue Munition erhalten - in ihrem Argument, dass McCains Personalentscheidung ein Verzweiflungsakt war.

DPA · Reuters
Reuters/DPA