Schwedens Bevölkerung hat mit 56,1 zu 41,8 Prozent überraschend klar gegen die von der Regierung vorgeschlagene Einführung des Euro gestimmt. Vier Tage nach der Ermordung von Außenministerin Anna Lindh setzten sich damit die Euro-Gegner durch, die bei allen Umfragen bis zu dem Attentat klar vorn gelegen hatten. Umfragen unmittelbar nach dem Attentat brachten so stark voneinander abweichende Ergebnisse, dass der Ausgang infolge des Todes der überzeugten Euro-Verfechterin Lindh wieder als völlig offen galt.
Klassenkampf
Der sozialdemokratische Ministerpräsident Göran Persson sagte nach Abschluss der Stimmenauszählung, das Ergebnis zeige die tiefe Skepsis der Schweden gegenüber dem Euro. Dies bedeute aber nicht, dass die skeptisch gegenüber der EU seien. "Das Referendum zeigt ein gespaltenes Land, und wir müssen uns vor allem um das Abstimmungsverhalten nach Klassen kümmern." Er bezog sich damit auf die bei Wählern mit niedrigem Einkommen und schlechter Ausbildung besonders hohe Nein-Quote.
Kein Rücktritt
Zur Frage nach einem Rücktritt wegen der überraschend klaren Niederlage sagte der 57-jährige Regierungschef: "Ich springe nicht ab, obwohl sich im Moment alles sehr schwer fühlt." Er wolle sich aber nicht vor der Verantwortung drücken, die sich nun aus dem Ergebnis der Volksabstimmung ergebe. Über die kurz- und langfristigen wirtschaftlichen für Schweden könne man noch keine Aussagen machen.
Kritik an der Kampagne
In ersten Analysen erklärten auch führende Vertreter der Ja-Seite, es sei zu keinem Zeitpunkt der Kampagne gelungen, die Notwendigkeit des Euro-Beitritts im Bewusstsein unsicherer Wähler zu verankern. Weitgehende Überraschung herrschte darüber, dass der gewaltsame Tod der überzeugten Euro-Verfechterin Lindh keinen nennenswerten Einfluss auf den Ausgang hatte. Persson hatte gemeinsam mit der Mehrheit in seiner Partei, den drei größten bürgerlichen Oppositionsparteien, der Mehrheit und Medien und fast allen Wirtschaftsvertretern für ein Ja gefochten.
"Klarer Wille der Bevölkerung"
Für das Nein-Lager sagte die Vorsitzende der Linkspartei, Ulla Hoffmann: "Ich bin froh, dass der klare Wille der Bevölkerung auch nach dem schrecklichen Attentat weiter deutlich zum Ausdruck gekommen ist." Die Trauer um Lindh lasse allerdings keine "echte Freude" aufkommen. Man erwarte nun aber, dass die Regierung das Ergebnis auch langfristig respektiere. Neben der Linkspartei gehörten auch die Grünen, das bäuerlich-liberale Zentrum sowie eine starke Minderheit in der sozialdemokratischen Partei zum Lager der Euro-Gegner.
Beteiligung von mehr als 80 Prozent
An der Abstimmung beteiligten sich 81,2 Prozent der 7,1 Millionen stimmberechtigten Schweden. 2,1 Prozent machten von der Möglichkeit Gebrauch, einen "blanken" Stimmzettel abzugeben. Vor drei Jahren hatte auch die Bevölkerung in Dänemark den von der Regierung in Kopenhagen befürworteten Beitritt zur gemeinsamen EU-Währung abgelehnt. Die Labour-Regierung in Großbritannien, dem dritten nicht zur Eurozone gehörendes EU-Land, hat die Entscheidung über ein Referendum bis auf weiteres aufgeschoben.
EU-Kommissionspräsident Roman Prodi bezeichnete das schwedische Nein am Sonntagabend in Bologna als "überraschend klar". Prodi sagte dem schwedischen TV-Sender SVT: "Ich war auf ein Nein vorbereitet, aber nicht in diesem Ausmaß." Die Ursachen müssten nun analysiert werden.
Schröder bedauert's
Bundeskanzler Gerhard Schröder bedauerte das Nein. "Ein schwedischer Beitritt wäre langfristig sowohl für Europa als auch für Schweden wirtschaftlich und politisch von Vorteil", erklärte Schröder am Sonntagabend in Berlin. Ohne die gemeinsame Währung könnten die wirtschaftlichen Potenziale des Binnenmarkts nicht ausgeschöpft werden. Er respektiere die souveräne Entscheidung der Schweden. Es sei aber gut zu wissen, dass die Möglichkeit eines späteren Euro-Beitritts Schwedens weiterhin gegeben sei.
Lindhs Mörder weiter auf freiem Fuß
Auch am Tag der Abstimmung konnte die schwedische Polizei keinen Durchbruch bei der Fahndung nach dem flüchtigen Mörder von Lindh melden, die sich entschieden für ein Ja ihrer Landsleute eingesetzt hatte. Die Fahndungsleitung veröffentlichte am Sonntag erstmals Fotos und Filmsequenzen mit Bildern vom Gesicht des mutmaßlichen Mörders. Er war wenige Minuten vor dem Messer-Attentat auf die 46-jährige Lindh im Stockholmer NK-Kaufhaus von Überwachungskameras aufgenommen worden. Mehr als vier Tage danach musste die Polizei am Sonntagabend mitteilen, dass sie auch den Namen den Hauptverdächtigen noch nicht ermittelt hat.