Wahlen im Kongo Hoffen auf den Neubeginn

Vor der historischen Wahl im Kongo mehren sich die Zeichen der Hoffnung, aber auch der Gewalt. Bei einer Kundgebung in der Hauptstadt Kinshasa kam es zu Ausschreitungen, denen mindestens sieben Menschen zum Opfer fielen. Weitere Eskalationen am Stichtag sind absehbar.

Wahlkampf in Kinshasa gleicht einer afrikanischen Version der Loveparade. Busse voller junger Männer mit den Fotos ihres Kandidaten auf dem T-Shirt fahren durch die Straßen, selbst auf dem Busdach drängen sich Dutzende und tanzen zu ihren Schlachtrufen. Tausende handgemalter Transparente flattern in der Stadt, auf denen die Namen der Kandidaten und höchst allgemein gehaltene Parolen stehen: "Für eine bessere Regierung", "Für ein geeintes Land".

Es sind die ersten freien Wahlen im Kongo seit mehr als vier Jahrzehnten - und zugleich die teuersten, die von den Vereinten Nationen je unterstützt wurden. Etwa 450 Millionen Dollar lässt die internationale Gemeinschaft es sich kosten, dem Kongo nach Jahrzehnten der Plünderung und des Bürgerkriegs einen demokratischen Neuanfang zu ermöglichen. "Ich bin sehr glücklich, dass wir endlich unsere eigene Regierung wählen können", sagt eine junge Frau, die auf der Straße Bananen verkauft.

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Bundeswehr im Kongo

In Kinshasa sind etwa 280 Bundeswehrsoldaten im Einsatz, die im Rahmen einer EU-Mission helfen sollen, mögliche Unruhestifter abzuschrecken. Bei vielen Kongolesen stößt der Einsatz auf Unverständnis oder gar auf offene Feindschaft. "Warum schicken die Europäer jetzt auch noch Soldaten, wo es doch schon eine UN-Mission im Land gibt?" fragt ein älterer Herr mit dicker Brille. "Gegen wen wollen sie ihre Waffen denn einsetzen?" Randalierer haben in den Tagen vor der Wahl mehrere Autos der EU-Truppen beschädigt und drei französische Soldaten leicht verletzt.

Hoffnung und Gewalt im kongolesischen Wahlkampf

Vor der historischen Wahl im Kongo mehren sich die Zeichen der Hoffnung, aber auch der Gewalt. Bei einer Kundgebung in der Hauptstadt Kinshasa kam es zu Ausschreitungen, denen mindestens sieben Menschen zum Opfer fielen.

In der östlichen Unruheprovinz Ituri erklärten sich derweil die beiden letzten großen Rebellengruppen zur Entwaffnung bereit, um im Gegenzug eine Amnestie sowie Posten in den offiziellen Streitkräften zu erhalten. Die Vereinten Nationen werteten dies als wichtigen Schritt auf dem Weg zum Frieden in der Region.

Anjan Sundaram/AP

Die deutschen Soldaten versuchen, auf Informationsveranstaltungen das Gerücht aus den Köpfen vertreiben, sie seien gekommen, um Kabila zu unterstützen. Sie grenzen sich auch bewusst von den UN-Truppen ab, die ihren Ruf bei vielen Kongolesen längst verspielt haben. Die Blauhelmsoldaten konnten die Massaker 2003 im Osten des Landes nicht verhindern und wurden außerdem beschuldigt, einheimische Frauen und Mädchen sexuell auszunutzen.

"Die Erwartungen sind groß"

Am Sonntag sind mehr als 25 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, ihren Präsidenten und ihre Abgeordneten zu bestimmen. Amtsinhaber Joseph Kabila, mit 35 der jüngste Staatschef Afrikas, gilt als Favorit. Beobachter rechnen mit einer Stichwahl Ende Oktober zwischen Kabila und dem bisherigen Vizepräsident Jean-Pierre Bemba, einem mutmaßlichen Kriegsverbrecher. Für die 500 Sitze im Parlament bewerben sich mehr als 9000 Kandidaten.

Viele Kongolesen setzen große Hoffnungen in diese Wahl, zu große, meinen manche politische Beobachter. "Die Erwartungen sind etwa so groß, wie kurz vor der Unabhängigkeit", sagt ein westlicher Diplomat. "Das kann in ein paar Monaten zu bitteren Enttäuschungen führen." Das Land hat mit Demokratie so gut wie keine Erfahrung. Der frühere Diktator Mobutu Sese Seko hat sich lediglich von Zeit zu Zeit mit Hilfe grüner und roter Abstimmungskärtchen und Ergebnissen knapp unter 100 Prozent im Amt bestätigen lassen.

"Wie ein Tsunami alle sechs Monate"

Die derzeitige Regierung ist das Ergebnis langwieriger Verhandlungen, die 2002 den fünf Jahre dauernden Bürgerkrieg beendeten. Im rohstoffreichen Osten des Landes sind immer noch Milizen aktiv und terrorisieren die Zivilbevölkerung. Kritiker behaupten, die Machthaber in Kinshasa hätten ein Interesse daran, den Konflikt am Köcheln zu halten, um ungehindert windige Geschäfte mit Konzessionen für den Abbau wertvoller Rohstoffe zu machen. Die humanitäre Lage ist verheerend. Etwa 1200 Menschen sterben nach Schätzungen von Hilfsorganisationen täglich an den Folgen des Konflikts, an Hunger und Krankheiten. "Das entspricht einem Tsunami alle sechs Monate", sagt Ross Mountain, Nothilfe-Koordinator der Vereinten Nationen. Zehntausende haben aus Angst vor den Milizen oder auch marodierenden Regierungssoldaten ihre Dörfer verlassen.

Ausschreitungen am Wahltag nicht ausgeschlossen

Für die Organisatoren sind die Wahlen in dem riesigen Land, in dem es kaum geteerte Straßen gibt, ein logistischer Albtraum. Die UN- Mission hat daher einen großen Teil ihrer Luftflotte zur Verfügung gestellt, um die Wahlmaterialien zu verteilen. Mehr als 50.000 Wahllokale müssen mit Urnen und Wahlzetteln ausgestattet werden.

Beobachter schließen nicht aus, dass es am Wahltag zu Ausschreitungen von Anhängern der Oppositionsparte UDPS kommen könnte, die zum Wahlboykott aufgerufen hat. Außer dem Präsidenten wird auch das Parlament gewählt. Für die 500 Plätze bewerben sich mehr als 9000 Kandidaten. Ein vorläufiges Ergebnis wird nach etwa einer Woche erwartet, für die Bekanntgabe des amtlichen Ergebnisses steht noch kein Termin fest.

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Ulrike Koltermann/DPA