Wahlprozess So wird man US-Präsident

  • von Ruth Fend
Caucus, Primaries, Vorwahlen - die unterschiedlichen Methoden zur Bestimmung der Präsidentschafts-Kandidaten in den US-Bundesstaaten sind nur Schritte auf dem langen und verschlungenen Weg ins Weiße Haus. So funktioniert der komplizierte Wahlprozess.

Das amerikanische Wahlsystem hält manch Eigenheit bereit - zum Beispiel, dass der Präsident am Ende nicht von der Mehrheit der Bürger, sondern von Wahlmännern bestimmt wird. Und dabei sogar der Kandidat gewinnen kann, der nicht die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhalten hat.

Hier ein Überblick über die wichtigsten Bestimmungen bei der Kür der Kandidaten und der anschließenden Wahl des Präsidenten.

Warum sind die Vorwahlen so wichtig?

In den Vorwahlen werden die Delegierten bestimmt, die im Sommer an den beiden Nominierungsparteitagen ("National Convention") teilnehmen werden. Sie wählen dort die jeweiligen Präsidentschaftskandidaten. Wenn ein Kandidat die Vorwahl in einem Bundesstaat gewinnt, müssen ihn also sämtliche Delegierte dieses Staates bei der Nominierung unterstützen. Deshalb steht der Kandidat de facto bereits nach dem "Super Tuesday" am 5. Februar fest, an dem mehr als zwanzig Bundesstaaten gleichzeitig ihre Kandidaten wählen.

Wie viele Delegierte jeder Staat zum Parteitag entsenden darf, hängt von seiner Bevölkerungsstärke ab. Je mehr Stimmen ein Kandidat in einem Staat bekommt, desto mehr Delegierte vertreten ihn auf dem Parteitag. Iowa etwa darf auf dem Parteitag der Demokraten nur 57 der gut 4200 Delegierten stellen, das weitaus größere Kalifornien hingegen 441. Dass den Vorwahlen im Agrarstaat Iowa soviel Bedeutung zugemessen wird, liegt nur an der Signalwirkung, die diese Auftaktwahl auf die darauffolgenden Vorwahlen hat.

Übrigens werden nicht alle Delegierten in den Vorwahlen bestimmt: Kongressmitglieder und Gouverneure sowie bestimmte Vertreter des Parteiapparats sind automatisch als Delegierte zugelassen.

Nach welchen Methoden wählen die Bundesstaaten ihre Kandidaten?

In den USA gibt es keine einheitlichen Regeln für die Bestimmung der Präsidentschaftskandidaten. Den 50 Bundesstaaten wurde es selbst überlassen, eigene Wahlsysteme zu entwickeln.

Ein Caucus, wie zum Ende der vergangenen Woche in Iowa, findet nach dem Beispiel der Bürgerversammlung statt, bei der die Wahlberechtigten eines Staates per Handzeichen ihren Kandidaten bestimmen. Es sind jedoch nur die jeweiligen Parteimitglieder zugelassen. Sie versammeln sich am Caucus-Tag, teilen sich in die jeweiligen Unterstützergruppen - auch die Unentschlossenen dürfen ein Lager bilden - und debattieren, bis sich alle entschieden haben.

Eine Primary wie die in New Hampshire am Dienstag läuft wie eine normale Wahl ab. Dabei gibt es je nach Bundesstaat "offene" und "geschlossene" Primaries. Wer hier wählen will muss sich als Demokrat, Republikaner oder Unabhängiger registrieren lassen. Bei der offenen Primary können die Bürger unabhängig von ihrer Registrierung entscheiden, ob sie an der Primary der Republikaner oder Demokraten teilnehmen wollen. Bei der geschlossenen Primary sind nur die registrierten Wähler einer Partei zugelassen.

Welche Bedeutung hat der Wahltermin der Vorwahlen?

Je früher eine Vorwahl stattfindet, desto größer ist ihr Einfluss auf die weiteren Entscheidungen in anderen Bundesstaaten. Wer am Anfang nicht das Rennen macht, muss fortan gegen ein Verlierer-Image ankämpfen. Deshalb steht sowohl in Iowa als auch in New Hampshire im Gesetz, dass sie ihre Entscheidung vor den anderen Bundesstaaten fällen müssen. Auch wenn andere Bundesstaaten diese Regelung nicht einfach kritiklos hingenommen haben, ist eine Änderung bisher stets am Widerstand dieser beiden Staaten gescheitert.

Staaten, deren Vorwahl nach dem sogenannten "Super Tuesday" stattfand, fürchteten, bedeutungslos zu werden. An diesem Tag, in der Vergangenheit oft Anfang März, finden traditionell viele Wahlen gleichzeitig statt. Dieses Jahr zogen Bundesstaaten ihre Vorwahlen reihenweise vor, um sich einen möglichst großen Einfluss zu sichern. Weil an diesem "Super Tuesday" am 5. Februar mit 24 Staaten so viele gleichzeitig wählen wie nie zuvor, erhielt er schon so schillernde Titel wie "Super Duper Tuesday", "Giga Tuesday", "Tsunami Tuesday" und "The Tuesday of Destiny“ - Der Dienstag des Schicksals. Etwa die Hälfte der Delegierten werden dieses Jahr am Super Tuesday gewählt.

Wer wählt letztlich den Präsidenten?

Nicht etwa das Volk! Die US-Bürger wählen ihren Präsidenten nicht direkt - stattdessen wählen sie insgesamt 538 Wahlmänner, sogenannte Electors, die ihrerseits den Präsidenten und den Vizepräsidenten wählen. Jeder Bundesstaat bekommt eine vorher festgelegte Zahl an Wahlmännern: Sie entspricht der Anzahl der Kongressabgeordneten des Staates (die wiederum mit seiner Bevölkerungszahl zusammenhängt).

Jeder Staat darf demnach mindestens drei Wahlmänner zum sogenannten Electoral College entsenden, da jeder Staat zwei Senatoren und mindestens einen Abgeordneten zum Repräsentantenhaus schickt. Die Verteilung der Wahlmännerstimmen ist umstritten, weil sie nicht ganz den Bevölkerungszahlen entspricht – besonders von bevölkerungsstarken Staaten, die untergewichtet sind, wird sie kritisiert.

Zur Wahl 1988 hatten etwa die sieben bevölkerungsärmsten Bundesstaaten (Alaska, Delaware, District of Columbia, North Dakota, South Dakota, Vermont und Wyoming) mit zusammen 3.119.000 Wahlberechtigten 21 Wahlmännerstimmen, genauso viel wie Florida mit 9.614.000 Wahlberechtigten.

Welche Rolle spielen die "Swing States"

In den USA ist es durchaus möglich, dass ein Kandidat Präsident wird, der nicht die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhalten hat. Grund dafür ist – neben der nicht ganz proportionalen Verteilung der Wahlmännerstimmen auf die Staaten – das Prinzip "Winner takes all": Der Partei, die in einem Staat die absolute Mehrheit (51 Prozent) der Stimmen erreicht, werden alle Wahlmänner des Staates zugeschlagen – sämtliche Gegenstimmen in diesem Staat gehen verloren. In den vergangenen Präsidentschaftswahlen führte dieses System dazu, dass im bevölkerungsstärksten Staat Kalifornien 4,5 Millionen Stimmen für George W. Bush nicht zählten. Umgekehrt wurden allein in Florida fast 3,5 Millionen Stimmen für John Kerry ignoriert.

Deshalb sind vor allem die Staaten heiß umkämpft, die traditionell weder eindeutig dem demokratischen noch dem republikanischen Lager zugeordnet werden können – sogenannte Swing States. Hier müssen verhältnismäßig wenige Stimmen gewonnen werden, um damit alle Wahlmänner für den ganzen Staat zugesprochen zu bekommen. Die wichtigsten Swing States bei den vergangenen Präsidentschaftswahlen waren Florida, Ohio, New Mexico, Pennsylvania, Wisconsin und Nevada.

John Q. Adams war der Erste, der bei den Wahlen 1824 Präsident wurde, ohne eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhalten zu haben. George W. Bush tat es ihm im Jahr 2000 gleich. Schon fünfzehn Mal wurde außerdem ein Kandidat Präsident, der lediglich die relative Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhielt - Beispiele sind John F. Kennedy 1960, Richard Nixon 1968 und Bill Clinton 1992 und 1996.

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