Afghanistans Kinderbräute Wie die dreijährige Aqila in die Ehe verkauft wurde

Die dreijährige Aqila zwischen ihrer Mutter und ihrer Großmutter
Aqila, 3 Jahre alt, wurde wie viele Mädchen in Afghanistan von ihrem Vater an einen erwachsenen Mann versprochen
© Too Young to Wed
In Afghanistan werden Mädchen in Zwangsehen verkauft, oft aus schierer Not. Ein Organisation setzt sich für ihre Rechte ein – mit Unterstützung der Stiftung stern.

Schützend legt Aqilas Mutter dem kleinen Mädchen die Hand aufs Knie. Unter ihrem Ganzkörperschleier lugen die Finger der Frau kaum hervor. Auf der anderen Seite sitzt Aqilas Großmutter, sie schaut, wie eine ernste Wächterin. Doch die Dreijährige mit den großen braunen Augen ist längst an einen Mann verkauft. In die Ehe versprochen im Tausch gegen Geld, das die Familie dringend braucht – wie so viele Mädchen in Afghanistans ärmsten Gegenden. Aqila lebt in dem Lager Schahrak-e Sabz, übersetzt: die "grüne Siedlung". Doch der Name ist mehr Wunsch als Wahrheit. In Camps wie diesem zeigt sich das Elend des Landes. Zelte ducken sich neben Lehmziegelhäusern, drumherum Wüste, es fehlt an Wasser, Strom, Jobs – und an Essen.

Fotografinnen kämpfen in Afghanistan gegen Kinderehen

Ein paar tausend Euro – höher liegt der Brautpreis für Mädchen wie Aqila oft nicht. Das reicht in Lagern wie Schahrak-e Sabz, um eine Familie ein Jahr lang zu ernähren. Die Schicksale der Mädchen in der Welt sichtbar zu machen: Das hat sich die Fotografin Stephanie Sinclair zur Aufgabe gemacht. Sie hat eine Organisation gegründet: "Too Young to Wed" – zu jung zum Heiraten. Sie fotografierte Afghanistans Kinderbräute vor mehr als 20 Jahren zum ersten Mal. "Die Geschichten der Mädchen ließen mich nicht mehr los", sagt Sinclair im Gespräch mit dem stern. "Ich wusste: Ich muss der Welt zeigen, was in Afghanistan passiert." 

Aqila war erst zwei Monate alt, als ihr Vater sie verkaufte. Er brauchte das Geld, um den Brautpreis für seine eigene zweite Ehefrau zu bezahlen. Jetzt ist der Vater in den Iran geflohen, weil er bei derselben Familie, die nun darauf besteht, Aqila zu besitzen, hohe Schulden hat. Mutter Rangina wehrt sich und kämpft dafür, die Tochter zu behalten. Sie reichte sogar Klage gegen die Familie ein. Die Richter entschieden: Mutter Rangina könne mit der Verheiratung warten, bis Aqila fünf Jahre alt sei. Länger nicht.

Aqilas Mutter will verhindern, dass ihre Tochter das gleiche Schicksal erleidet wie die ältere Schwester, die Ranginas Ehemann an einen Taliban-Kämpfer verkaufte. Sie wurde mit 13 Jahren Mutter.

Kinderehen: Oft mehr Not als Tradition

Für ihre neuen Ehemänner und Schwiegereltern sind die Mädchen kostenlose Angestellte. Sklavinnen, getarnt als Ehefrauen. Sie müssen putzen und kochen, wissen aber nicht, wie das geht. Machen sie Fehler, schlagen die Ehemänner zu. Viele Mädchen werden schwanger, bevor sie ausgewachsen sind. Babys gebären sie oft zu früh und mit Behinderungen.

Es ist nicht nur die Tradition, derentwegen so viele Eltern ihre Töchter in die Ehe schicken, dessen ist sich Stephanie Sinclair sicher. Es ist die Not. Unter den Taliban dürfen Mädchen nur bis zur sechsten Klasse zur Schule gehen. Zu arbeiten ist den meisten verboten. Und zu Hause ist ein Mädchen vor allem jemand, der Essen braucht. Im Afghanistan der Taliban bleibt Eltern oft nur eine Wahl: Hungern – oder die Tochter verkaufen.

Dort setzt "Too Young to Wed" an: Mit Programmen hilft die Organisation Familien dabei, eine Alternative zur Verheiratung der Töchter zu finden. Durch Ausbildungen, Hilfe bei der Suche nach Unterkünften, dem Zahlen von Schulgeld oder gar Verhandlungen mit lokalen Machthabern. Die Mädchen unterstützen ihre Familien durch Arbeit, Lesen und Schreiben – und entgehen so in einigen Fällen der Kinderheirat.

Stiftung stern

Wenn Sie den Mädchen in Afghanistan helfen möchten: Die Stiftung stern leitet Ihre Spende an "Too Young to Wed" weiter – dieser Link führt direkt zum Spendenformular. Alternativ: Stiftung stern e.V., IBAN DE90 2007 0000 0469 9500 01 Stichwort "Kinderbräute Afghanistan"

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