Vermutlich wird es in nächster Zeit etwas langweiliger werden, jetzt, wo Donald Trump weg ist und die Erwachsenen wieder unter sich sein werden im Weißen Haus. Und dort Erwachsenensachen machen: zum Pariser Klimaabkommen zurückkehren, der WHO beitreten, sich an der Einheit der USA abarbeiten. Solche Dinge halt. Und dazu noch den Scherbenhaufen des Vorgängers beseitigen. Die Agenda des neuen Präsidenten Joe Biden ist lang, manche sagen: zu lang. Aber er hat den Vorteil, dass er "durchregieren" kann, doch da ist noch mehr.
In den USA, in den Regierungszentralen der Welt, in den sozialen Medien, überall fielen mit Bidens Vereidigung um kurz vor 12 Uhr Washingtoner Zeit unüberhörbar sehr viele Steine von sehr vielen Herzen. Waren die vergangenen Jahre ein einziger grimmiger Ritt durch die Abgründe politischen Unwillens, ziehen mit dem 78-Jährigen und seiner Vizepräsidentin Kamala Harris nun zwei Menschen ins Weiße Haus, die untrumpiger kaum sein könnten.
Joe hält Jill die Tür auf – kleine Geste, große Wirkung
Wie anders die kommenden Jahre werden könnten, deutet sich schon mit einer kleinen Geste an. Der neue Präsident und seine Frau Jill sollen mit dem "Beast", der gigantischen Staatslimousine, zu einem Truppenbesuch gefahren werden. Biden also begleitet seine Frau auf ihre Seite des Ungetüms und lässt sie zuerst einsteigen. Erst danach betritt er das Gefährt. Ganz anders sein Amtsvorgänger, bei dem man immer Angst haben musste, dass er seine Gattin vor der Wagentür vergessen würde.
Selbst die Tradition, nach der Inauguration die letzten Meter auf der Pennsylvania Avenue ins Weiße Haus zu laufen, wirkte bei den Bidens wie aus einer anderen Welt. Vielleicht lag es daran, dass das "Erste Paar" Hand in Hand schlenderte wie bei einem Spaziergang nach dem Weihnachtsessen. Oder, dass beide dabei demonstrativ Reportern und Zuschauern am Straßenrand zuwinkten. Ab und an und vielleicht auch einmal zu viel joggte, ja tatsächlich joggte Biden sogar zu den Schaulustigen, um sie persönlich zu begrüßen. Natürlich tat es ihm Kamala Harris nebst Gatte und Familie später gleich.
Der Spaziergang und die Macht der Bilder
Das ungestüme Gegrüße war sicher nicht einem Bedürfnis nach spontaner Volksnähe entsprungen. Doch die Bilder verfehlen ihre Wirkung nicht. Gegenteiliger als der dauerfinstere Amtsvorgänger hätte sich Biden kaum präsentieren können. Dabei war der vor vier Jahren genau den gleichen Weg gegangen. Nur eben gequält lächelnd und nicht entspannt, optimistisch und umgeben von Freunden, wie nun der 46. Präsident. Der dann, wie es sich am ersten Tag gehört, das Weiße Haus zu Fuß und durch die Vordertür betrat. Onkel Joe is' auffe Schicht.
Natürlich sind das nur schöne Bilder und keine politischen Statements. Aber es waren solche lockeren Momente, mit denen schon John F. Kennedy und Barack Obama die Herzen der halben Welt eroberte hatten – ob nun inszeniert oder nicht. Was spricht dagegen, eine große Aufgabe zumindest gut gelaunt anzugehen? Donald Trump mag zwar der Meister der Aufmerksamkeit gewesen sein, doch er hat nie verstanden, welche Macht von Menschen ausgehen kann, die einfach nur freundlich wirken.
Wie sollen Biden und Harris die Spaltungen überwinden?
Zuletzt war in den USA oft die Rede davon, dass die "Temperatur wieder herunter gehen" müsse. Auch Biden benutzte die Formulierung in seiner Antrittsrede. Zu überhitzt war die Stimmung im Wahlkampf und überhaupt in den vergangenen Jahren, auch ist von "Versöhnung" und "Heilung" zu hören. Doch wie soll es ein einziges Präsidentenpaar schaffen, die die zahllosen und teilweise uralten Frakturen in dem Land zu überwinden? Joe Biden und Kamala Harris haben in ihren ersten Stunden angedeutet, wie: Die Welt nicht länger in Freund und Feind aufzuteilen. Nach vier Jahren Donald Trump ist das ein großer Fortschritt.