Flughäfen verwaist, Müll auf den Straßen, Schulen und Fabriken geschlossen, ebenso U-Bahnstationen und Gerichte: Der größte Generalstreik seit mehr als zwei Jahrzehnten hat Portugal am Mittwoch in weiten Teilen lahmgelegt. Mit dem eintägigen Ausstand protestierten Zehntausende in dem hoch verschuldeten Euro-Land gegen den Sparkurs der sozialistischen Minderheitsregierung. Das Land sei weitgehend paralysiert worden, berichtete der Fernsehsender "SIC".
"Das ist der größte Streik in der Geschichte Portugals", jubelte João Proença, Generalsekretär der "Allgemeinen Arbeiter-Union" (UGT). Manuel Carvalho da Silva, der Chef des 750 000 Mitglieder starken "Allgemeinen Verbandes Portugiesischer Arbeiter" (CGTP), sagte in einer ersten Bilanz am Abend, mehr als drei Millionen Menschen - etwa die Hälfte der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter - hätten am Ausstand teilgenommen. Den letzten gemeinsamen Generalstreik hatten UGT und CGTP 1988 organisiert.
Die Regierung von Ministerpräsident José Sócrates räumte eine "bedeutende Beteiligung" ein. Gewerkschaftsangaben, wonach im öffentlichen Bereich fast 90 Prozent dem Arbeitsplatz ferngeblieben seien, bestritt die Regierung allerdings vehement. Man habe lediglich eine Abwesenheitsquote von knapp 20 Prozent registriert, hieß es. Einige Abgeordnete von Sócrates "Sozialistischer Partei" (PS) erklärten derweil, nun müssten beide Seiten den Dialog suchen.
Die Neuverschuldung Portugals erreichte im vergangenen Jahr den Rekord von rund 9,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Haushalt der Regierung sieht für 2011 nie dagewesene Spar- und Sanierungsmaßnahmen vor, mit denen das Defizit im nächsten Jahr auf 4,3 Prozent gedrückt werden soll. Unter anderem sollen die Ausgaben für Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst um fünf Prozent gekürzt werden. Die Mehrwertsteuer wird von 21 auf 23 Prozent angehoben. Sócrates versicherte, sein Land werde keine Finanzhilfe benötigen.
Nach Expertenschätzung wird der Streik Portugal mindestens 280 Millionen Euro kosten. Die Bänder standen am Mittwoch auch in der Volkswagen-Fabrik Autoeuropa in Palmela südlich von Lissabon still. Autoeuropa steuert zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts und zehn Prozent der Exporte in Portugal bei. In der VW-Anlage traten die Gewerkschaftsfunktionäre Proença und Carvalho gemeinsam vor Hunderte von Arbeitern. "Auch hier, in der größten privaten Fabrik des Landes, wird nicht gearbeitet", rief Carvalho. Armut und Unzufriedenheit nähmen immer weiter zu, sagte er.
Der Ausstand traf auch viele Urlauber und Geschäftsreisende aus Deutschland und anderen Ländern. Die Luftfahrtbehörde ANA teilte mit, bis auf drei Ausnahmen seien alle Flüge ausgefallen. Der Lissabonner Flughafen war völlig verwaist. Es gab auch einige Zwischenfälle. Mitarbeiter der Staatspost CTT meldeten, die Polizei habe Streikposten grundlos mit Pfefferspray attackiert. Der Besitzer eines Supermarkts wurde laut Medien festgenommen, nachdem er zwei seiner streikenden Angestellten mit dem Wagen angefahren hatte.
Vor dem berühmtesten Caféhaus Lissabons, dem "Brasileira" im Stadtzentrum, kam es zu Handgemengen zwischen Beamten und streikenden Angestellten des Touristentreffpunkts. Nur wenige hundert Meter weiter protestierten rund hundert junge Menschen vor dem Laden eines deutschen Herstellers von Luxusbekleidung: "Hier gibt es Kapitalisten", schrien sie immer wieder.
Zur Arbeitsniederlegung hatten die Gewerkschaften, die linken Parteien im Parlament und auch einige Bürgerbewegungen aufgerufen. Aber auch konservative Gruppierungen und Politiker schlossen sich an oder bekundeten ihre Solidarität. Die Militärangehörigen, die laut Gesetz nicht streiken dürfen, drückten mit einem "Tag der Besinnung" ihre Solidarität mit den Streikenden aus. Und sogar der wichtigste Oppositionsführer, Pedro Passos Coelho von der konservativ orientierten Sozialdemokratischen Partei (PSD), äußerte Verständnis und sagte: "Ich kann die Beklemmung der Portugiesen verstehen".