Yoshihiko Noda Nüchterner Haushaltssanierer an der Spitze Japans

Das japanische Parlament hat am Dienstag den bisherigen Finanzminister Yoshihiko Noda zum neuen Regierungschef gewählt. Der neue Mann im Portrait.

Mit Charisma und gutem Aussehen versucht Yoshihiko Noda gar nicht erst zu punkten. Er sei ein einfacher Mann und nicht elegant, gab der neue japanische Regierungschef unumwunden zu, als er seine Kandidatur bekannt gab. Dennoch wurde der 54-Jährige am Dienstag zum Ministerpräsidenten und bereits am Vortag zum Chef der Regierungspartei DPJ gewählt. Vor ihm liegen mit dem Wiederaufbau nach der Tsunamikatastrophe im März, der Bewältigung des Atomunfalls von Fukushima und der Wirtschaftskrise riesige Herausforderungen.

"Ich habe keine großen finanziellen Mittel und mein Aussehen ist nicht mein Verkaufsargument", schrieb Noda anlässlich der Bekanntgabe seiner Kandidatur für das Amt des Regierungschefs in einem konservativen Magazin. Auch vor der Abstimmung der DPJ-Parteivorsitz hob der stämmige Vater von zwei Kindern hervor, dass er kein schillernder Charismatiker, sondern ein bodenständiger Finanzexperte sei. "Ich bin eine Schmerle, ich kann kein Goldfisch sein", sagte er. Anders als Goldfische leben Schmerlen unscheinbar am Grund des Wassers.

Einen grundsoliden Politiker kann Japan derzeit an seiner Spitze brauchen. Ein Erdbeben und ein Tsunami haben vor knapp sechs Monaten ganze Landstriche im Nordosten verwüstet. Die Naturkatastrophe verursachte zudem in Fukushima den schlimmsten Atomunfall seit Tschernobyl und stürzte das technologiegläubige Japan in eine Sinnkrise. Außerdem kämpft Japan mit einer Abwärtsspirale der Preise und einem hohen Yen-Kurs, welcher der Exportwirtschaft schadet. Und Japans Staatsverschuldung beläuft sich auf das Doppelte seiner Wirtschaftsleistung.

Noda sieht sich als Mann der Tat

Mit den wirtschaftlichen Problemen war Noda schon intensiv befasst, seit er im Juni 2010 Finanzminister wurde. Anders als seine Amtsvorgänger griff er mehrfach direkt auf den Finanzmärkten ein, um die Verteuerung der japanischen Währung zu stoppen. Damit machte er deutlich, dass er in schwierigen Situationen nicht die Hände in den Schoß legt. "Krisen sind dafür geschaffen, Führer hervorzubringen", schrieb Noda Mitte August auf seiner Internetseite. Bislang sei Japan jedoch die meiste Zeit "von Schwächlingen" regiert worden.

Führungsstärke lernte Noda von Kindheit an. Der Sohn eines Fallschirmjägers studierte an der renommierten Schule für Politikwissenschaften und Wirtschaft der Waseda-Universität und besuchte das Matsuhita-Institut für Regierung und Management. In die Kommunalpolitik ging er mit 29 Jahren, wenige Jahre später trat er national in Erscheinung. Als Regierungschef will Noda höhere Steuern durchsetzen, um den Schuldenberg abzutragen. Zur Bewältigung der Krisen im Land müssten alle an einem Strang ziehen, fordert er.

Da Noda in seiner Mitte-links-Partei als konservativ gilt, könnte es ihm gelingen, mit den oppositionellen Liberaldemokraten einig zu werden. Probleme könnte er hingegen mit den Nachbarländern China und Südkorea bekommen. Zu ihrem Ärger sprach er kürzlich von einem Alliiertengericht verurteilte Japaner vom Vorwurf der Kriegsverbrechen frei. Anders als sein Vorgänger Naoto Kan will Noda zudem nicht, dass Japan nach Fukushima aus der Atomenergie aussteigt.

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AFP/DPA