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Regierungserklärung im Bundestag "Zwei befremdliche Sätze" und "keine einzige Lehre" – das laute Medienecho zu Merkels Afghanistan-Rede

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht im Bundestag
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gibt bei der Sondersitzung des Bundestags eine Regierungserklärung zur Lage in Afghanistan ab
© Michael Kappeler / DPA
Was bleibt von dieser Regierungserklärung? Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich zur Lage in Afghanistan geäußert – und viele Fragen unbeantwortet gelassen, meinen Kommentatoren.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat im Bundestag Fehleinschätzungen in Afghanistan eingeräumt und sich als Konsequenz für eine Überprüfung aller Bundeswehreinsätze stark gemacht. Den viel kritisierten Umgang mit den ehemaligen afghanischen Mitarbeitern von Bundeswehr und Bundesministerien verteidigte die CDU-Politikerin am Mittwoch allerdings in ihrer Regierungserklärung (lesen Sie hier mehr dazu). Die Pressestimmen.

"Die Kanzlerin stellte viele Fragen, ohne Antworten zu geben"

"Süddeutsche Zeitung": "Was wird von dieser Rede der Kanzlerin in Erinnerung bleiben nach Tagen voller Bilder, die einem (...) das Herz zerreißen? Es sind vor allem jene zwei befremdlichen Sätze, die Merkel ausdrücklich als persönliche Bemerkung gekennzeichnet hat. (...) Hinterher alles besser zu wissen, das sei 'wenig kompliziert' und 'relativ mühelos'. Das stimmt zwar, und die Zahl der Neunmalklugen, die sich jetzt allenthalben melden, steht in einem auffallend konträren Verhältnis zum Interesse, das dem deutschen Engagement in Afghanistan über Jahre in der Öffentlichkeit gewidmet wurde. Aber ein Hinterher-ist-man-immer-schlauer als Rechtfertigung einer Bundeskanzlerin?"

"Tagesschau.de": "Die Betroffenheit über das Schicksal der Afghanen mag ihr im Bundestag anzumerken gewesen sein. Ansonsten aber stellte die Kanzlerin viele Fragen, ohne Antworten zu geben – bemerkenswert nach 20 Jahren Einsatz am Hindukusch. Sie machte Andeutungen, dass die Fehler woanders zu suchen sein könnten (...). Eine Fehlersuche bei sich selbst oder auch den zuständigen Ministerien – Innen, Außen, Verteidigung – kam Merkel nicht in den Sinn, geschweige denn über die Lippen.

"Der Tagesspiegel": "Gutes gewollt zu haben, kann niemand dieser Regierung bestreiten. Doch zeigen sich auf den letzten Metern zugleich auch die Schwächen der Kanzlerschaft Merkel: richtig Erkanntes durchzusetzen, umzusetzen, so zu organisieren, dass es funktioniert. (...) Ja, die Kanzlerin hat recht, hinterher ist gut besser wissen. Politische Entscheidungen sind auch Augenblickentscheidungen. Aber: Dass der Abzug aus Afghanistan stattfinden würde, war lange bekannt, seit einem Jahr. (...) Da reicht es nicht, das alles wahrzunehmen und die Ressorts der Regierung darauf hinzuweisen. Hier greift die Richtlinienkompetenz der Bundeskanzlerin, des Bundeskanzlers in der Tat."

"Rhein-Zeitung": "Die deutsche Bilanz des gesamten Einsatzes ist ernüchternd: 59 tote Soldaten, hohe Kosten, falsche Versprechen. Auf der Habenseite vielleicht eine stabilere Sicherheitslage über Jahre hinweg. Doch diese könnte sich ebenfalls als trügerisch erweisen – sind doch die Taliban jetzt ironischerweise vom Westen mit viel moderneren Waffen ausgestattet worden. Für all dies hätte sich die Kanzlerin in diesem Dilemma entschuldigen können – und müssen."

"Taz": "Das Parlament hat nach zwanzig Jahren zum wohl letzten Mal über ein Afghanistan-Mandat abgestimmt, Angela Merkel hat zu diesem Anlass ihre wohl allerletzte Regierungserklärung gehalten. Eigentlich der richtige Anlass für eine Bilanz – dennoch präsentiert die Kanzlerin keine einzige Lehre aus dem Afghanistan-Krieg. Ein paar rhetorische Fragen stellt sie gegen Ende ihrer Rede, ein klein wenig Selbstkritik könnte man aus ihnen heraushören, aber für Antworten, da bittet Merkel um Verständnis, sei erst mal eine Analyse nötig. Ganz so, als habe sich die Kanzlerin in den letzten 16 Jahren nicht beruflich mit dem deutschen Regierungshandeln beschäftigt."

"Die Welt": "Es ist atemberaubend zu verfolgen, mit welcher Kühle Angela Merkel und mit ihr die Regierung dem Zusammenbruch der afghanischen Staatlichkeit begegnet. (...) Merkel kommt zu Hilfe, dass sie vor ihrem Abschied steht. Vier Wochen vor der Bundestagswahl gelüstet es offenbar kaum jemanden, hart nachzufragen und das Afghanistan-Debakel in seiner Breite aufzudecken. Dies wäre dringend erforderlich, um die nötigen Schlüsse für künftige Einsätze zu ziehen."

fs DPA

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